Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
dass ihr das Erbe so gut gebrauchen und damit das Haus kaufen konntet.«
»Nur schade, dass Grandma Edith nicht hier ist und sehen kann, wie gut ihr Geld angelegt ist. Für Tom und mich ist es wichtig zu wissen, dass ihr einverstanden seid, wie wir die Erbschaft verwendet haben.«
»Das ist eine Investition in die Zukunft. Es ist euer gemeinsamer Anfang. Hier werdet ihr eure Familie gründen.«
Diane nahm Holly in die Arme und konnte die dunkle
Wolke nicht sehen, die über Hollys Gesicht huschte. Holly hätte auch gerne etwas von dem Selbstvertrauen gehabt, an dem es den Corrigans offenbar allen nicht mangelte.
Drei Tage vor Toms geplanter Abreise hatte Holly ihre Aufgabenliste abgearbeitet, und das Haus war in einem bewohnbaren Zustand. Die Handwerker hatten bereits ihre Arbeit im Nebengebäude aufgenommen. Während Holly sich zufrieden zurücklehnte und ihnen einfach zusah, empfand Tom die Handwerker offenbar als eine Art Angriff auf seine Männlichkeit und stürzte sich ebenfalls in körperliche Arbeit, indem er dem verwilderten Garten zu Leibe rückte.
Holly überließ den Männern das Feld und blieb im Haus, um mit den Entwurfszeichnungen für ihren neuen Auftrag zu beginnen. Mrs Bronson war die junge Ehefrau eines sehr wohlhabenden und sehr viel älteren Mannes. Die Geburt ihres ersten gemeinsamen Kindes wollte Mrs Bronson mit einer Skulptur würdigen und damit angesichts der zahlreichen Kinder, die ihr Mann in diversen früheren Ehen und Affären gezeugt hatte, ein Zeichen setzen. Es sollte ein relativ großes Kunstwerk werden und in der Eingangshalle ihrer Nobelvilla einen schwer zu übersehenen Platz finden.
Das Thema war natürlich Mutter und Kind. Angesichts des Sujets hätte Holly den Auftrag, der bestimmt ein halbes Jahr in Anspruch nehmen würde, am liebsten abgelehnt, aber die Bezahlung war einfach zu verlockend.
Sie hatte sich am Morgen ihre Skizzenbücher bereitgelegt, voller guter Absichten, doch ohne jegliche Inspiration. Geld allein ließ ihre Kreativität nicht sprudeln. Ihr
fehlte einfach das Einfühlungsvermögen, auf das sie sonst zurückgreifen konnte. Von der geheimnisvollen Bindung zwischen Mutter und Kind, von der alle Welt unentwegt redete, hatte sie nicht die geringste Ahnung.
Holly konnte sich nicht erinnern, als Kind jemals etwas von dieser Art Bindung empfunden zu haben. Die entscheidenden Jahre hatte sie nur Einsamkeit und Angst gespürt. Ihre Mutter war noch keine zwanzig gewesen, als sie schwanger wurde. Eine überstürzte Heirat und ein ungewolltes Kind machten ihr einen Strich durch die Rechnung, und sie war nicht in der Lage oder willens, ihre Unabhängigkeit aufzugeben.
Mit einem kleinen Kind, um das sie sich kümmern musste, war das gesellschaftliche Leben ihrer Mutter stark eingeschränkt, so dass sie ihr Bohemeleben, von dem sie nicht lassen wollte, kurzerhand nach Hause verlegte. Holly konnte sich noch gut an all die Schmarotzer erinnern, die sich im Haus eingenistet hatten, um sich von einer Party zu erholen oder auf die nächste zu warten. Ihre Mutter stand immer im Mittelpunkt, tänzelte barfuss durchs Haus, mit oder ohne Musik im Hintergrund. Wenn sie tanzte, wirkte sie am glücklichsten und zog die Menschen in ihren Bann, auch Holly, wie das Licht die Motten, und jeder wollte sich in ihrem Glanz sonnen. Holly meinte sich erinnern zu können, wie ihre Mutter sie einmal geschnappt und zu ihrem Entzücken im Zimmer herumgewirbelt hatte, aber Holly war sich nicht sicher, ob es sich wirklich so zugetragen hatte. Möglicherweise war es nur die Erinnerung an einen Wunschtraum. Die verlässlichen Erinnerungen sahen anders aus: Ihre Mutter unterbrach ihren Tanz, zeigte
vorwurfsvoll mit dem Finger auf ihre Tochter und erklärte der versammelten Meute, dass dieses Geschöpf ihr Leben ruiniert habe. Aus ihrer Miene sprach offene Abscheu, und das war das Bild, das Holly vor Augen stand, wenn sie ans Mutterwerden dachte.
Bis sie mit Tom zusammenkam, kannte sie verantwortungsvolle Eltern nur vom Hörensagen. Als kleines Mädchen hatte sie keinen Kontakt zu anderen Kindern, deren Eltern Holly wegen ihres Elternhauses bereits als Problemkind abgestempelt hatten. Als Jugendliche fühlte sie sich dann von all den anderen verwaisten, vorzeitig aus dem Nest gefallenen Küken angezogen. Ihre Kunst war in mehrfacher Hinsicht ihr Rettungsanker geworden. Eine Art Fluchtburg, ein Platz in ihrem Leben, wo sie nicht hilflos ausgeliefert war, wo sie etwas leisten konnte, und die, wie
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