Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
zwinkerte heftig, um die Angst zu verscheuchen, die in ihr aufflackerte. Sie zwang sich zu einem Lächeln, in der Hoffnung, dass Tom ihre Reaktion nicht bemerkt hatte, aber ihre Leidenschaft war verflogen.
»Was ist?« Tom sah sie mit einem eigenartigen Blick an,
der sie mitten ins Herz traf. »Hast du solche Angst davor, Kinder zu haben?«
»Nein«, log Holly.
»Doch«, beharrte Tom, wälzte sich auf die Seite und stützte den Arm auf. Auch ihm war plötzlich jede Lust vergangen.
»Ich will schon Kinder haben«, beharrte sie. »Ich kann mir mich nur so schlecht als Mutter vorstellen.«
»Du willst mir Kinder schenken. Das ist was anderes, als selber Kinder zu wollen«, stellte Tom in einer Mischung aus Sorge und Enttäuschung fest. »Aber du wirst bestimmt eine gute Mutter werden. So was ist schließlich nicht erblich.«
Tom spielte damit auf ihre Kindheit an. Holly stammte aus äußerst schwierigen Familienverhältnissen, die schon lange vor der Scheidung ihrer Eltern zerrüttet waren. Ihre Mutter war von zu Hause ausgezogen, als Holly erst acht Jahre alt gewesen war, und sie erinnerte sich, wie die Erleichterung damals größer gewesen war als das Gefühl, verlassen worden zu sein. Ihre Mutter hatte seltsame Vorstellungen, was ihre Mutterrolle anging, und ersetzte Liebe durch Brutalität, Fürsorge durch Bitterkeit und Hohn. Nach der Scheidung sah Holly ihre Mutter nur noch gelegentlich, und als sie ein junges Mädchen geworden war, hatte ihre Mutter sich bereits zu Tode getrunken. Ihr Vater dagegen war unnahbar und zeigte nicht das geringste Interesse an seiner Tochter, was auf andere Weise ebenso brutal war. Holly musste selber sehen, wie sie zurechtkam, und als sie mit achtzehn in eine Studentenbude zog, brach sie jeden Kontakt ab und kam nicht einmal zu seiner Beerdigung.
»Ich weiß, es ist nicht erblich, aber man wird von den Verhältnissen geprägt. Du weißt gar nicht, was für ein Glück du mit deiner Familie hast. Deine ist so … so …« Holly fand nicht die richtigen Worte. Tom wusste zwar über ihre Kindheit Bescheid, aber er würde niemals nachempfinden können, was es hieß, ohne die Sicherheit einer liebevollen Familie aufzuwachsen. »Sie ist so ohne Brüche«, brachte sie schließlich heraus.
»Ohne Brüche?« Tom lachte. »Was meinst du damit?«
»Du hast eine Mutter und einen Vater, die dich lieben und zu dir stehen, und sie hatten Eltern, die sie liebten und zu ihnen standen. Deine Großeltern hatten bestimmt auch fabelhafte Eltern und so weiter und so fort, über Generationen weitergegeben.«
In Hollys Augen waren Toms Eltern fabelhaft. Manchmal konnte sie es kaum fassen, wie selbstverständlich sie in die Familie aufgenommen worden war und wie eine eigene Tochter geliebt wurde. Für Holly war es ein mühsamer und aufwühlender Lernprozess gewesen, Teil einer traditionellen Familienstruktur zu sein. Als kürzlich Toms Großmutter Edith gestorben war, hatte sie unmittelbar miterlebt, wie sie funktionierte: wie alle sich gegenseitig aufrichteten, wie die Liebe, mit der alle an Edith hingen, gleichsam eine Brücke über die Leere spannte, die ihr Tod hinterlassen hatte.
»So perfekt sind wir nun auch wieder nicht«, meinte Tom. »Bei uns gibt es auch das berühmte schwarze Schaf in der Familie.«
»Doch, doch. Im Vergleich zu meiner Familie seid ihr perfekt.« Holly berührte zärtlich Toms Wange. »Und
wenn ich nun das schwache Glied bin, das die Kette in eurer Familie brechen lässt? Wenn ich es nicht schaffe, die Sorte Mutter zu werden, die deine Familie über Generationen hervorgebracht hat?«
»Du bist doch nicht schwach. Deine Eltern waren schwach, ja, und das hat dich geprägt, aber es hat genau das Gegenteil bewirkt. Du bist der stärkste Mensch, den ich kenne. Deine Eltern haben ihre Aufgabe denkbar schlecht erfüllt, doch genau das wird dich zur besten Mutter machen, die man sich vorstellen kann. Glaub mir.«
Tom wirkte plötzlich angespannt, und Holly spürte seinen wachsenden Groll. Groll, der sich gegen ihre Eltern, aber auch gegen sich selbst richtete, weil er nicht in der Lage war, ihre Wunden zu heilen und die Dämonen ihrer Vergangenheit zu bannen.
»Ich weiß, es fehlt mir an Selbstvertrauen«, gab Holly zu, obwohl sie bezweifelte, dass sich daran jemals etwas ändern würde. Aber Tom würde keine Ruhe geben, bis sie ihren nächsten Fünfjahresplan aufgestellt und den Punkt darin untergebracht hatte. Nicht dass er auf Pläne angewiesen war. Er war eher ein
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