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Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman

Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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vorbeigeschaut zu haben. Beide waren bereits angekleidet für das abendliche Bankett, schimpften allerdings über die sicher langweilige Gesellschaft.
    »Was will Vater nur von diesem alten Juden!«, erregte sich Rüdiger, mit zwölf Lenzen der ältere der beiden. »Er sollte lieber junge Ritter an den Hof holen. Im nächsten Jahr werde ich meine Schwertleite feiern. Mit wem soll ich da kämpfen? Mit dem alten Adalbert?«
    Adalbert von Uslar war der älteste Ritter, und Peregrin behielt ihn mehr aus Mitleid am Hof denn als Verteidiger seines Lehens. Nur wenige Fahrende Ritter wurden in Ehren alt, die meisten starben jung bei irgendwelchen Turnieren oder Scharmützeln. Aber Adalbert lebte seit Jahren auf Falkenberg. Peregrin konnte ihm kein Lehen geben, weshalb er auch nie um ein Mädchen hatte freien können. Aber immerhin fand er einen Schlafplatz in der Halle, musste nicht hungern und konnte abends dem Wein zusprechen, wie es ihm beliebte.
    »Du wirst an einen anderen Hof gehen, das haben wir doch schon besprochen!«, beschied Gerlin ihren Bruder, einen hübschen, hochgewachsenen Jungen mit lebhaften blauen Augen und ungebärdigem rotblondem Haarschopf.
    Allerdings erwies sich Peregrin von Falkenberg hier als ebenso wählerisch wie bei der Verheiratung seiner Tochter. Rüdiger sollte nicht an irgendeinen unbedeutenden Hof, aber die großen Fürstenhaushalte rissen sich nicht gerade um einen Knappen aus unbedeutender Familie. Dennoch wurde es jetzt Zeit. Rüdiger musste in die Welt hinaus - möglichst an eine Burg, deren Erbe im gleichen Alter war. Dann konnte er seine Schwertleite mit diesem Jungen zusammen feiern, und dessen Vater würde das Fest ausrichten. An großen Höfen wurden oft Hunderte von Knappen gemeinsam mit dem Erben zum Ritter geschlagen - es erhöhte das Renommee eines Burgherrn, sie fürstlich zu beschenken. Peregrin von Falkenberg fehlte dagegen das Geld für eine standesgemäße Einführung seines Sohnes in die Ritterschaft. Es war überaus teuer, das damit verbundene Turnier auszurichten. Wenn überhaupt, so lohnte sich das nur, wenn gleich zwei Söhne zum Ritter geschlagen wurden. Und Wolfgang, der jüngere Bruder, war erst acht. Rüdiger hatte sicher keine Lust, noch fünf Jahre auf seine Erhebung in den Ritterstand zu warten.
    »Vielleicht ergibt sich ja gerade heute etwas für dich!«, ermutigte Gerlin ihren Bruder. »Der Jude kommt aus Lauenstein, vielleicht kannst du da als Knappe unterkommen. Vater wird euch den Rittern vorstellen, die ihn begleiten. Sei höflich, lausche ihren Reden - vielleicht kannst du ihnen aufwarten ... Und vor allem: Untersteh dich, den Juden herablassend zu behandeln! Wenn du einen guten Eindruck machst, setzt er sich vielleicht für dich ein, falls es zu Verhandlungen kommt.«
    Gerlin hoffte, dass ihr Vater Rüdigers Schwertleite und die damit verbundenen Komplikationen nicht aus den Augen verlor. Der Sohn des verstorbenen Ornemünders durfte in Rüdigers Alter sein, man musste ihn irgendwann zum Ritter schlagen, und bestimmt geschah das im Rahmen einer aufwändigen Zeremonie. Ein Knappe mehr oder weniger machte da sicher keinen Unterschied, und der jüdische Medikus mochte Einfluss haben. Gerlin ärgerte sich, nicht früher auf den Gedanken gekommen zu sein. Sie hätte Erkundigungen über Lauenstein einziehen und ihren Vater vorbereiten können.
    Aber jetzt hatte sie immerhin Rüdiger besänftigt. Er zog hoffnungsvoll ab, gefolgt von seinem jüngeren Bruder, der ihn vergötterte. Ihr Waffenmeister würde die Jungen in der Halle in Empfang nehmen - oder der alte Herr Adalbert, falls sich Leon von Gingst zu gut war, um gemeinsam mit einem Juden zu speisen. Gerlin hatte die Ritter über den seltsamen Besucher ihres Burgherrn reden hören, und auch Rüdigers Bemerkungen zeugten davon, dass Herr Leon auf die Hebräer nicht allzu gut zu sprechen war.
    Gerlin tauschte nun endlich das schlichte Hauskleid gegen ein seidenes Hemd, ein hellrotes Untergewand und einen samtenen dunkelblauen Überwurf. Es war Frühling und tagsüber schon recht warm, aber nachts hielt sich noch die Kälte in den Mauern der Burg, und Gerlin hatte den Kamin in ihrer Kemenate nicht anheizen lassen. Sie tat das ohnehin ungern. Das Gemäuer war alt und die Rauchabzüge ungenügend. Mit leisem Bedauern dachte sie an die sehr viel komfortableren Unterkünfte am Hof der Herrin Aliénor. Ein Gefängnis, aber ein luxuriöses! Außerdem war ihre Ziehmutter ihm inzwischen entkommen. Zweieinhalb Jahre

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