Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Nervosität entgegen.
Wie erwartet erschien Gerlin umgehend in seiner Kemenate. Sie hatte keine Zeit damit vergeudet, sich höfisch zu kleiden und zu kokettieren - er würde ihre gradlinige, zuverlässige Art vermissen! Das Mädchen grüßte vertraut und ließ sich ungezwungen auf einem Schemel zu seinen Füßen nieder.
»Was liegt an, Vater? Seid Ihr verstimmt, weil Euer Gast Euch so bald schon verlassen hat? Es war doch alles zu seiner Zufriedenheit, oder?«
Peregrin von Falkenberg nickte. Er war ein hochgewachsener, wenn auch vom Kummer etwas gebeugter Mann mit scharfen Zügen und blondem, schon ein wenig schütterem Haar.
»Alles war zu seiner vollsten Zufriedenheit, Kind. Du hast einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Weshalb Herr Salomon seine Entscheidung denn auch bereits getroffen hat - und ich habe zugestimmt. Nun bist nur noch du gefragt ... aber du kannst nicht Nein sagen, es ist eine Gelegenheit, die sich dir nie wieder bietet!« Peregrins lange Finger verschränkten sich ineinander, er rang die Hände, wie immer, wenn er nervös war, aber nun griff er entschieden nach der Hand seiner Tochter.
Gerlin runzelte die Stirn. »Wozu kann ich nicht Nein sagen?«, fragte sie argwöhnisch.
Peregrin räusperte sich. »Gerlin, Kind, Herr Salomon ... nun, er kam als ... als Brautwerber.«
Gerlin richtete sich alarmiert auf. Aber ihr Vater sprach weiter, bevor sie Fragen stellen konnte.
»Ich weiß, Gerlin, ein Jude und Medikus als Brautwerber ist eine seltsame Sache, aber Herr Salomon hat seinem Herrn wohl sehr nahegestanden. Er hat ihm auf dem Totenbett versprochen, dass ...«
»Er wirbt für einen Toten?«, fragte Gerlin ungläubig.
Peregrin schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht! Aber er wirbt für einen Erben. Herr Salomon sucht nach einer passenden Gattin für seinen Herrn Dietrich von Lauenstein aus dem Geschlecht der Ornemünder. Ein Fürst, Gerlin, ein Mann von hohem Adel!«
»Ein Mann?«, fragte Gerlin. »Wenn ich dich richtig verstehe, geht es doch um den Erben des alten Lauensteiners, oder? Und von dem hörte ich, er sei noch ein Kind.«
Peregrin biss sich auf die Lippen. »Kein Kind, Gerlin, aber ... aber ein ... ein Junge ... Dietrich von Lauenstein zählt dreizehn Lenze, bald vierzehn. Er wird ... er wird in Kürze seine Schwertleite feiern.«
Gerlin sprang auf und entriss ihrem Vater dabei ihre Hand. »Vierzehn? Ein Knappe? Das könnt Ihr mir nicht antun, Vater! Ich bin vierundzwanzig! Ihr könnt mich nicht mit einem Kind vermählen!«
»Aber Gerlin, ich will dir nichts Böses!« Peregrin hob wie um Verzeihung heischend die Arme. »Im Gegenteil. Schau, Dietrich ist jung, aber das bleibt er ja nicht. Ich vermähle dich nicht mit einem Kind, ich vermähle dich mit einem Hochadligen! Du wirst über eine Grafschaft herrschen, Gerlin. Ein reiches, großes Lehen!«
Gerlin schüttelte hilflos den Kopf. »Aber Vater, ich heirate doch nicht nur einen Titel oder ein Stück Land. Ich werde mit diesem Mann leben müssen, der noch kein Mann ist! Ich träume nicht von einer Grafschaft, Vater, ich träume von Minne, von Liebe, von Gemeinschaft ... von einem Mann, der mir ebenbürtig ist, der mir auch ein Freund sein kann.«
Peregrin von Falkenberg hob die Schultern. »Aber das eine schließt das andere doch nicht aus, Kind. Sieh es einmal so, Gerlin: Du wirst den Frühling zum Mann nehmen, einen schönen, unberührten Jüngling. Er wird dich lieben, dich anbeten, du wirst fähig sein, ihn dir zu formen. Und du wirst reich sein und einen großen Hof führen. Gräfin von Ornemünde zu Lauenstein ... Ist das nicht mehr, als wir uns je erhoffen konnten?«
Gerlin biss sich auf die Lippen. Das alles klang nicht, als ob sie noch eine Wahl hätte. »Ihr habt wirklich schon zugesagt, Vater? Es ist beschlossen?«
Peregrin nickte. »Ich musste, obwohl Herr Salomon darauf drängte, dich vorher zu fragen. Ansonsten hätte er nämlich noch weitere Burgen aufgesucht, er hatte noch zwei andere Mädchen in der engeren Wahl. Aber er lässt dir ausrichten, dass du dich durch meine Zusage nicht unbedingt gebunden fühlen sollst. Wenn du absolut nicht willst, so kannst du noch ablehnen. Natürlich würde ich mein Gesicht verlieren.« Er lächelte zögernd. »Du wirst ja auch noch überlegen, Gerlin. Du bist jetzt überrascht, es schreckt dich, dass ich schon für dich entschieden habe, aber wenn du darüber nachdenkst ... Herr Salomon sprach auch nur gut von seinem Herrn.«
»Seinem Herrn?«, spottete Gerlin.
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