Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
verströmte darüber die Begierde nach Sünden und weckte seine Begierde mit Eva ...
Voller Entsetzen sprang der Ketzerrichter auf. »Niemals, niemals!«, schrie er und biss sich auf die Unterlippe. Nein, niemals konnte Johannes so etwas gesagt haben. Das Buch vor ihm auf dem Tisch war unzweifelhaft ein Machwerk des Teufels. Doch zwang er sich jetzt wieder zur Ruhe und überflog die nächsten Zeilen, bis eine weitere Stelle seine Aufmerksamkeit erregte.
Wieder fragte ich, Johannes, den Herrn :
»Wie kommt der Mensch dazu, im Geist in einem Leib aus Fleisch zu sein?« Der Herr sagte zu mir: »Von den gefallenen Engeln aus dem Himmel kommen sie in die Leiber der Weiber und nehmen infolge der Begierde des Fleisches Fleisch an. Geist stammt vom Geist, Fleisch vom Fleisch. So vollendet sich das Reich Satans in dieser Welt und bei allen Völkern.«
Hastig überflog der Inquisitor die nächsten Zeilen, bis er erneut fasziniert las:
Dann fragte ich den Herrn nach dem Tag des Gerichts:
»Was wird das Zeichen für deine Ankunft sein?«
Er antwortete mir:
»Wenn die Zahl der Gerechten erfüllt sein wird, entsprechend der Zahl der gekrönten Gerechten, die gefallen sind. Dann wird der Satan aus seinem Gefängnis freigelassen und er wird großen Zorn haben und Krieg gegen die Gerechten führen. Und sie werden mit lauter Stimme zu Gott, dem Herrn , schreien. Sogleich wird der Herr den Engeln befehlen, die Trompeten zu blasen; die Stimmen der Erzengel wird man bis in die Hölle hören. Dann wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen und die Sterne werden herabfallen. Die vier Winde werden sich aus ihren Fundamenten lösen und sie werden die Erde, das Meer, die Berge und die Hügel gleichzeitig erbeben lassen. Und zugleich wird der Himmel erzittern und die Sonne, die bis zur vierten Stunde scheinen wird, wird sich verfinstern. Dann wird das Zeichen des Menschensohnes erscheinen und alle heiligen Engel mit ihm, er wird über den Wolken auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen, zusammen mit den zwölf Aposteln auf den zwölf Thronen ihrer Herrlichkeit.«
Fassungslos schlug der Ketzerrichter das Buch zu, genug gelesen, genug erfahren. Er war fest entschlossen, den Mann im Nebenraum einem scharfen Verhör zu unterziehen und ihn der Ketzerei zu überführen.
Wieder im Nebenraum sah er auf den Mann, der gebunden mit groben Stricken an Händen und Füßen auf einem Schemel saß. Der Inquisitor zögerte noch einen Augenblick, wollte er doch gemäß der ihm übertragenen Aufgabe die Wahrheit erforschen. Aber war er wirklich einer jener Spezialisten, die dafür ausersehen waren, vom Papst mit der Verfolgung der Häretiker beauftragt zu werden? Die Wortgewandtheit jenes Mannes dort machte ihm Angst.
»Glaubst du an Gott, den allmächtigen Vater, und den Sohn und den heiligen Geist?« fragte er mit fester, unnachgiebiger Stimme den Gefesselten. Langsam hob dieser sein Haupt und sah dem Inquisitor offen ins Gesicht.
»Ich glaube, dass es zwei Götter, ohne Anfang und Ende, gibt. Der eine ist gut und der andere abgrundtief böse. Der gute Gott herrscht im Himmelreich und ist allmächtig. Der Böse, den ihr Satan nennt, herrscht auf der ganzen Welt«, brachte er trotz der ihn quälend einschneidenden Stricke an Händen und Füßen gelassen hervor.
»Also glaubst du nicht, dass in dieser Trinität ein einziger Gott ist, nämlich der Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, der Schöpfer, der Körper und Seelen ist, der sichtbaren wie auch der unsichtbaren Dinge und aller Geschöpfe dieser Welt?«
Und wieder entgegnete der Mann völlig ruhig:
»Ich glaube, dass Luzifer der Sohn des Gottes der Finsternis ist.«
„Ihr habt den Teufel zum Vater“ heißt es im Johannesevangelium, denn er ist ein Lügner und sein Vater ist der Teufel.« »Glaubst du, dass die Seelen der Menschen nicht jene bösen Geister sind, die aus dem Himmel gestürzt sind?«
»Ich glaube, dass Luzifer in den Himmel emporstieg, denn Jesaja sagte: Zum Himmel will ich steigen. Um die Wesen des Himmels zu täuschen, verwandelte er sich in den Engel des Lichts und für sein wundervolles Aussehen wurde er von den anderen Engeln in den Himmel gelassen. Sie traten bei Gott, dem Herrn, für ihn ein und er wurde der Verwalter der Engel. Darum heißt es im Evangelium: „Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Doch dieser Verwalter verführte die Engel und es gab Krieg im Himmel.“ Und in der Apokalypse heißt es: Der Drache aber, jene alte
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