Das Geheimnis der Schnallenschuhe
«Warum, Chefinspektor Japp?»
«Wie… Oh – dafür gibt es eine sehr einfache Erklärung: Alistair Blunt. Sobald der Bezirksinspektor erfuhr, dass Blunt heute Vormittag hier war, meldete er das der Zentrale. Für Leute wie Mr Blunt wird hierzulande gut gesorgt.»
«Sie meinen, dass es Menschen gibt, die ihn gern – aus dem Weg schaffen würden?»
«Blunt mit seiner Hochfinanz ist eine Macht im Staate, die manchem im Wege steht.»
Poirot nickte.
«Das habe ich mehr oder weniger vermutet. Und ich habe das Gefühl, dass» – er machte eine ausdrucksvolle Handbewegung – «vielleicht irgendetwas schief gegangen ist. Als eigentliches Opfer war Alistair Blunt ausersehen. Oder das hier ist nur ein Anfang – der Beginn irgendeiner besonderen Kampagne? Ich rieche – ich rieche» – er schnüffelte in der Luft herum –, «dass hinter dieser Geschichte eine Menge Geld steckt!»
Japp brummte: «Sie gehen mit Ihren Annahmen ein bisschen weit, wissen Sie.»
«Ich behaupte, dass ce pauvre Morley nur eine untergeordnete Figur im Spiel war. Vielleicht hat er etwas gewusst – vielleicht hat er Blunt etwas erzählt –, oder man befürchtete, dass er Blunt etwas erzählen wollte.»
Er brach ab, als Gladys Nevill wieder ins Zimmer kam. «Mr Reilly ist gerade mit einer Extraktion beschäftigt», sagte sie. «Er steht Ihnen in ungefähr zehn Minuten zur Verfügung, falls Ihnen das recht ist.»
Japp war damit einverstanden. In der Zwischenzeit wollte er noch einmal «mit diesem Alfred» reden.
Alfred wurde hin und her gerissen zwischen freudiger Erregung und panischer Angst, man werde ihm für alles Vorgefallene die Schuld zuschieben. Er stand erst seit vierzehn Tagen in Mr Morleys Diensten, und während dieser kurzen Zeit hatte er beständig und unweigerlich alles falsch gemacht. Die dauernden Vorwürfe hatten sein Selbstvertrauen untergraben.
«Er war vielleicht ein bisschen fahriger als sonst», gab Alfred auf eine Frage zur Antwort, «aber im Übrigen kann ich mich an nichts Besonderes erinnern. Ich hätte nie gedacht, dass er sich abmurksen würde.»
Poirot fiel ihm ins Wort. «Sie müssen uns», sagte er, «alles über heute Vormittag erzählen, was Ihnen im Gedächtnis geblieben ist. Sie sind ein wichtiger Zeuge, und Ihre Angaben können für uns von ungeheurem Nutzen sein.»
Alfreds Gesicht lief knallrot an, und seine Brust war stolzgeschwellt. Er hatte Japp bereits einen kurzen Bericht über die Ereignisse des Vormittags gegeben. Jetzt nahm er sich vor, ausführlicher zu werden. Ein wohltuendes Gefühl seiner eigenen Bedeutung durchzog ihn. «Ich kann Ihnen schon Bescheid sagen», sagte er. «Fragen Sie nur immerzu.»
«Zunächst einmal: Ist heute Vormittag irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen?»
Alfred dachte einen Augenblick nach und antwortete dann ziemlich betrübt: «Könnte ich nicht behaupten. Es war alles wie sonst.»
«Sind Unbekannte ins Haus gekommen?»
«Nein.»
«Auch nicht als Patienten?»
«Ach. Sie meinen die Patienten? Es ist niemand gekommen, der nicht angemeldet war.»
«Hätte jemand ungesehen das Haus betreten können…?»
«Ausgeschlossen. Dazu muss man einen Schlüssel haben.»
«Aber hinaus kommt man ohne weiteres?»
«Ja, dazu braucht man nur die Klinke zu drücken, hinauszugehen und die Tür hinter sich zuzuziehen. Wie gesagt, so machen es die meisten. Sie gehen zu Fuß die Treppe hinunter, während ich den Nächsten im Lift hinauffahre.»
«Ich verstehe. Jetzt erzählen Sie uns einmal, wer heute Morgen zuerst gekommen ist und so weiter. Beschreiben Sie die Personen, wenn Ihnen die Namen entfallen sind.»
Alfred überlegte eine Weile. Dann sagte er: «Dame mit einem kleinen Mädchen; die ist zu Mr Reilly gekommen und eine Mrs Soap oder so ähnlich zu Mr Morley.»
Poirot sagte: «Ganz recht. Fahren Sie fort…»
«Dann eine andere, ältere Dame – ziemlich elegant. Nachher ein großer, militärisch aussehender Herr, und nachher Sie…» Er machte eine Kopfbewegung zu Poirot hin.
«Richtig.»
«Dann der Amerikaner…»
Japp sagte scharf: «Amerikaner?»
«Ja, Sir. Das war bestimmt ein Amerikaner – an der Aussprache deutlich zu hören. Noch jung. Er kam zu früh – war erst auf halb zwölf Uhr bestellt. Und nachher ging er gar nicht ins Sprechzimmer.»
«Wie meinen Sie das?», fragte Japp.
«Ich wollte ihn holen, als Mr Reilly um halb zwölf Uhr läutete – es war übrigens etwas später, vielleicht zwanzig vor zwölf –, und da war er nicht im
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