Das Geheimnis der Schnallenschuhe
auf Hercule Poirot unbeschreiblich niederdrückend. Auf dem polierten Sheraton-Tisch lagen, sorgfältig geordnet, Zeitungen und Zeitschriften. Auf der Hepplewhite-Anrichte standen zwei versilberte Leuchter und ein Tafelaufsatz. Den Kaminsims krönten zwei Bronzevasen und eine bronzene Uhr. An den Fenstern hingen blaue Samtvorhänge. Die Sesselbezüge waren mit roten Vögeln und Blumen gemustert.
In einem der Sessel saß ein militärisch aussehender Herr mit grimmigem Schnurrbart und gelber Hautfarbe. Er betrachtete Poirot, als hielte er ihn für irgendein schädliches Insekt. Er schien nicht so sehr eine Schusswaffe zu vermissen als eine Flitspritze.
Poirot sah ihn verdrießlich an und dachte: Manche Engländer sind wirklich dermaßen unerfreulich und lächerlich, dass man sie schon bei der Geburt von ihrem Leiden erlösen müsste.
Nach längerem Glotzen riss der militärische Herr die Times an sich, rückte seinen Sessel so, dass ihm Poirots Anblick erspart blieb, und begann zu lesen.
Poirot griff nach dem Punch. Er ging ihn sorgfältig durch, konnte aber keinen der Witze komisch finden.
Der Boy kam herein, sagte: «Colonel Arrowbumby?», und führte den militärisch aussehenden Herr hinaus.
Während Poirot noch darüber nachdachte, ob es einen so unwahrscheinlichen Namen tatsächlich geben konnte, ging die Tür von Neuem auf, und es erschien ein junger Mann von etwa dreißig Jahren.
Er trat an den Tisch und blätterte unruhig in den Zeitschriften.
Poirot sah ihn von der Seite an und dachte: Ein unangenehmer, gefährlich aussehender junger Mann – möglicherweise ein Mörder. Jedenfalls sah er weit mehr wie ein Mörder aus als viele von den Mördern, die Hercule Poirot im Laufe seiner Karriere geschnappt hatte.
Der Boy öffnete die Tür und sagte in die leere Luft: «Mr Pierer?» Poirot zog den richtigen Schluss, dass diese Aufforderung ihm galt, und erhob sich. Er folgte dem Boy zum hinteren Ende der Halle und um die Ecke zu einem kleinen Aufzug, der sie in den zweiten Stock brachte. Dort führte ihn der Boy einen Gang entlang, öffnete die Tür zu einem kleinen Vorzimmer, klopfte an die zweite Tür, öffnete diese, ohne eine Antwort abzuwarten, und trat zurück, um Poirot eintreten zu lassen.
Unter dem Rauschen von fließendem Wasser ging Poirot hinein und entdeckte hinter der Tür Mr Morley, der sich mit berufsmäßiger Gründlichkeit in einem Becken an der Wand die Hände wusch.
Auch im Leben der größten Männer gibt es gewisse demütigende Situationen. Man pflegt zu sagen, dass niemand vor seinem Kammerdiener ein Held ist. Es könnte hinzugefügt werden, dass wenige Männer vor sich selbst Helden sind, wenn sie den Zahnarzt besuchen.
Hercule Poirot war sich dieser Tatsache mit geradezu morbider Schärfe bewusst. Gewöhnlich hatte er eine sehr gute Meinung von sich selbst. Er, Hercule Poirot, war anderen Männern in vielfacher Beziehung überlegen. In diesem Augenblick jedoch war er unfähig, sich in irgendeiner Beziehung überlegen zu fühlen. Seine Moral hatte den Nullpunkt erreicht. Er war jetzt nichts anderes als jenes wohl bekannte feige Wesen: ein Mensch, der sich vor dem Zahnarzt fürchtet.
Mr Morley hatte seine professionellen Waschungen beendet und sagte nun in seinem professionell ermunternden Ton: «Längst nicht warm genug für diese Jahreszeit, nicht wahr?»
Sachte geleitete er den Patienten an den kritischen Ort – zum Behandlungsstuhl! Er spielte gewandt mit der Kopfstütze, die er auf und nieder gleiten ließ.
Hercule Poirot tat einen tiefen Atemzug, stieg hinauf, setzte sich hin und überließ seinen Kopf ergeben den Händen Mr Morleys.
«Haben Sie irgendwelche besonderen Beschwerden?», fragte er.
Etwas undeutlich, da die Bildung der Konsonanten mit offenem Mund ihm Schwierigkeiten bereitete, gab Hercule Poirot zu verstehen, dass keine besonderen Beschwerden zu verzeichnen seien. In der Tat handelte es sich nur um eine der beiden regelmäßigen jährlichen Untersuchungen, die sein Sinn für Ordnung und Reinlichkeit verlangte. Es war natürlich möglich, dass es überhaupt nichts zu tun gab… Vielleicht übersah Mr Morley den zweiten Zahn von hinten, der ihn unlängst so gezwickt hatte… vielleicht – aber nicht wahrscheinlich, denn Mr Morley war ein sehr guter Zahnarzt.
Mr Morley ging langsam von Zahn zu Zahn, klopfte, stocherte und murmelte dazu kleine Bemerkungen.
«Diese Füllung ist ein bisschen abgenützt – nichts Ernstes. Das Zahnfleisch ist
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