Das Geheimnis Der Schönen Toten
die ernsteste, der er sich je gegenübergesehen hatte. Die Klostergemeinschaft ist immer noch abhängig und wird von einer Welt beherrscht, in der alles möglich ist. »An diesem ungeweihten Ort liegt irgendein Mensch begraben. Gesetzwidrig.«
»Das befürchte ich auch«, sagte Cadfael. »Wir haben aber nicht weitergemacht, um uns Gewißheit zu verschaffen, da wir deine Einwilligung wünschen und den Sheriff dabeihaben wollen.«
»Was habt ihr dann getan? Wie habt ihr die Dinge dort auf dem Feld zurückgelassen?«
»Bruder Richard hält an dem Ort Wache. Das Pflügen geht weiter, jedoch mit der gebotenen Vorsicht und in einiger Entfernung von dieser Stelle. Es schien mir nicht nötig zu sein«, erklärte er, »die Arbeit zu verzögern. Wir wollten auch nicht allzuviel Aufmerksamkeit auf das lenken, was dort vorgeht. Das Pflügen erklärt unsere Anwesenheit. Niemand braucht sich zu wundern, daß wir uns dort zu schaffen machen. Und selbst wenn es sich als wahr erweisen sollte, kann es doch sehr, sehr lange zurückliegen und schon weit vor unserer Zeit geschehen sein.«
»Möglich«, sagte der Abt und ließ seinen unbestechlichen Blick auf Cadfaels Gesicht ruhen, »obwohl ich denke, daß du nicht an eine solche Gnade glaubst. Soviel ich aus Akten und Urkunden weiß, hat es in der Nähe dieser Stelle nie eine Kirche oder einen Friedhof gegeben. Ich bete zu Gott, daß es nicht zu weiteren Entdeckungen dieser Art kommt. Eine ist mehr als genug. Nun, du hast meine Vollmacht. Tu, was getan werden muß.«
Cadfael tat, was getan werden mußte. Als erstes mußte er Hugh von dem Vorgefallenen in Kenntnis setzen und sicherstellen, daß der weltlichen Obrigkeit nichts von dem verborgen blieb, was sich weiter ereignen würde. Hugh kannte seinen Freund gut genug, um keine Zweifel zu äußern, keine Fragen zu stellen und keine Zeit mit Einwänden oder Bedenken zu verlieren, sondern er ließ sofort die Pferde satteln, nahm einen Lehnsmann der Garnison mit, der, falls nötig, Botenritte übernehmen konnte, und machte sich mit Cadfael zur Furt des Severn und zum Töpferacker auf.
Als sie an dem oberen Feldrain entlang zu der Stelle ritten, an der Bruder Richard bei den Ginsterbüschen wartete, war das Ochsengespann weiter unten auf dem abschüssigen Feld noch bei der Arbeit. Die langgezogenen, schmalen, leicht geschwungenen Ackerfurchen hoben sich mit ihrer kräftigen, dunklen Erdfarbe von dem dichten, verfilzten, verblichenen Gras der Wiese ab. Nur diese Ecke unterhalb des Knicks war jungfräulich belassen. Nach der ersten unheilverkündenden Kehrtwendung war der Pflug in gehörigem Abstand von der grausigen Fundstelle weitergezogen worden. Die Wunde im Erdreich, die das Kolter zurückgelassen hatte, endete urplötzlich dort, wo die langen dunklen Fasern in der Furche mitgezogen worden waren. Hugh bückte sich, um genau hinzusehen und die Stoffetzen zu berühren. Die Fäden lösten sich unter seinen Händen auf, während die langen, gelockten Haarsträhnen festsaßen. Als er sie hochhob und leicht an ihnen zog, glitten sie ihm durch die Finger. Sie waren noch in der Erde verwurzelt. Er trat zurück und starrte mit finsterer Miene in die tiefe Furche.
»Was immer du hier gefunden hast, wir sollten es lieber ausgraben. Wie es scheint, wollte dein Pflüger das Land etwas zu gut ausnutzen. Er hätte uns Ärger erspart, wenn er sein Gespann ein paar Meter vor der Erhebung hätte wenden lassen.«
Doch dazu war es nun zu spät. Es war geschehen. Der Fund konnte nicht mehr mit Erdreich bedeckt und dann vergessen werden. Die beiden Männer hatten Spaten mitgebracht und eine Breithacke, um das verfilzte Wurzelgeflecht des seit langer Zeit nicht mehr gestörten Pflanzenwuches behutsam abzuschälen, sowie eine Sichel, um die überhängenden Ginsterzweige zurückzuschneiden, die ihre Bewegungen behinderten und diese geheime Grabstätte zum Teil verdeckt hatten. Innerhalb einer Viertelstunde wurde offenkundig, daß die unter der Erde ruhende Gestalt tatsächlich so lang war wie ein Grab, denn die verrotteten Stoffetzen tauchten hier und da am Fuß des aufgeworfenen Erdwalls auf, und Cadfael warf den Spaten fort, um sich hinzuknien und die Erde mit bloßen Händen wegzuschaufeln. Es war nicht einmal ein tiefes Grab. Man hatte dieses eingehüllte Bündel unterhalb des Knicks einfach ins Erdreich gelegt, die dicken Grassoden daraufgepackt und es den Büschen überlassen, den Ort zu verhüllen. Das Grab war jedoch tief genug, um den Leichnam an
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