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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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von dessen Empfangszimmer Bericht erstattete. »Wir haben sie in der Leichenhalle aufgebahrt.
    Ich bezweifle, daß sie noch etwas an sich hat, was sich von irgendeinem Menschen wiedererkennen läßt, selbst wenn ihr Tod erst vor kurzem eingetreten ist, was ich für unwahrscheinlich halte. Ihr Gewand könnte jede Pächtersfrau tragen, ohne Stickerei, ohne Gürtel, einst wohl das übliche Schwarz, jetzt Graubraun. Sie trägt keine Schuhe, keinen Schmuck, nichts, was auf ihren Namen hindeutet.«
    »Ihr Gesicht . . . ?« fragte der Abt, jedoch in einem zweifelnden Ton, der zeigte, daß er keine Hoffnung hatte.
    »Vater, ihr Gesicht bietet jetzt den gewohnten Anblick.
    Es ist nichts mehr da, was einen Mann dazu bringen könnte zu sagen: Dies ist meine Frau oder Schwester oder eine Frau, die ich einmal gekannt habe. Nichts mit Ausnahme vielleicht ihres üppigen dunklen Haars. Doch das haben viele Frauen. Für eine Frau ist sie von durchschnittlicher Körpergröße. Ihr Alter können wir nur schätzen, und auch das nur grob. Ihrem Haar nach zu urteilen war sie nicht alt, doch ein junges Mädchen dürfte sie auch nicht gewesen sein. Eine Frau in der Blüte ihrer Jahre, doch wer kann sagen, ob sie nur fünfundzwanzig war oder vierzig?«
    »Dann hat sie also gar keine besonderen Kennzeichen an sich? Nichts, woran man sie von den anderen unterscheiden könnte?« fragte Radulfus.
    »Die Art, wie sei beigesetzt worden ist«, erwiderte Hugh. »Ohne Trauergemeinde, ohne Riten, gegen das Gesetz in ungeweihter Erde verscharrt. Und doch - Cadfael wird es Euch sagen. Oder, falls es Euch lieber ist, Vater, könnt Ihr Euch selbst überzeugen, denn wir haben sie so belassen, wie wir sie gefunden haben.«
    »Mir wird allmählich klar«, sagte Radulfus mit Nachdruck, »daß ich mir diese Frau tatsächlich selbst ansehen muß. Doch da schon soviel gesagt worden ist, könnt Ihr mir genausogut erzählen, was es denn ist, das die Sache noch seltsamer macht als die Umstände ihres heimlichen Begräbnisses. Und doch . . .?«
    »Und doch, Vater, wurde sie ausgestreckt und schicklich hingelegt, mit geflochtenem Haar und auf der Brust gefalteten Händen, die ein aus zwei Holzstäbchen von einer Baumhecke oder einem Busch zusammengebundenes Kreuz hielten. Wer immer sie in die Erde gelegt hat, hat es dabei nicht ganz an Ehrerbietung fehlen lassen.«
    »Vielleicht können selbst die schlimmsten Männer dabei so etwas wie Ehrfurcht empfinden«, sagte Radulfus gedehnt und runzelte die Stirn über diesen Beweis für ein hin und her gerissenes Gemüt. »Doch es war eine Tat, die im dunkeln geschah, heimlich. Das läßt eine noch schlimmere Tat vermuten, die ebenfalls im dunkeln erfolgte.
    Wenn sie tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben ist, ohne daß auch nur der Schatten von Schuld auf einen anderen Menschen fallen könnte, warum dann kein Priester und keine Beisetzungsriten? Du hast bis jetzt nicht behauptet, Cadfael, daß dieses arme Geschöpf so gesetzwidrig zum Tode befördert worden ist, wie man es beigesetzt hat, doch ich behaupte es. Was könnte es sonst für einen Grund geben, sie insgeheim und ohne priesterlichen Segen unter die Erde zu bringen? Und selbst das Kreuz, das ihr Totengräber ihr in die Hände legte, scheint aus Heckenzweigen geschnitten zu sein, damit man es nie als Eigentum eines anderen Menschen erkennt und nie mit dem Finger auf den Mörder zeigen kann! Dem, was du sagst, entnehme ich, daß alles, was ihr eine Identität hätte zurückgeben können, von ihrem Leichnam entfernt wurde, um ihr Geheimnis selbst jetzt noch zu wahren, wo der Pflug sie wieder ans Licht gebracht hat und ihr endlich die Möglichkeit gegeben ist, den Zustand der Gnade zu erlangen.«
    »So scheint es tatsächlich zu sein«, sagte Hugh mit ernster Stimme, »wäre da nicht die Tatsache, daß Cadfael keine Spur einer Verletzung an ihr finden kann, keinen gebrochenen Knochen, nichts, was darauf hindeutet, wie sie gestorben ist. Nach so langer Zeit in der Erde könnte der Stich eines Dolchs oder Messers unserer Aufmerksamkeit entgehen, aber wir haben keinerlei Anzeichen dafür gefunden. Man hat ihr weder das Genick gebrochen noch ihr den Schädel eingeschlagen. Cadfael glaubt auch nicht, daß sie erwürgt worden ist. Es sieht aus, als wäre sie im Bett gestorben - sogar im Schlaf. Doch dann hätte niemand sie heimlich beerdigt und alles versteckt, was sie von allen anderen Frauen unterschieden hätte.«
    »Nein, das ist wahr! Niemand würde sein

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