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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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während er die Zeitung las. Als er damit fertig war, stand er auf, griff nach dem speckigen Cowboyhut aus braunem Filz, der an einem Haken an der Tür hing, und sagte: »Mach mich stolz.«
    »Das werde ich. Bye, Dad.«
    Nachdem er gegangen war, saß Vivi Ann nur da und spürte, wie Unruhe sie beschlich.
    Einen Großteil ihres Lebens hatte sie sich treiben lassen wie ein Blatt in der Strömung. Zwar hatte sie ein paarmal versucht, die Richtung zu ändern, aber jeder Versuch – wie zum Beispiel das staatliche College – hatte rasch damit geendet, dass sie wieder nach Hause zurückkehrte.
    Ihr gefiel das Leben hier, so einfach war das. Ihr gefiel es, mit den Pferden zu arbeiten und ihre Kenntnisse an staunende Mädchen weiterzugeben, die sie wegen ihrer Reitkünste bewunderten. Ihr gefiel es, dass alle im Ort sie kannten und sie und ihre Familie respektierten. Und ihr gefiel sogar das Wetter. Viele Leute beklagten sich über die endlosen grauen Tage von November bis April, aber ihr machte das nichts aus. Ohne Regen kein Regenbogen, das war ihr Motto, seit sie mit zwölf am Grab ihrer Mutter gestanden und versucht hatte, irgendeinen Sinn in ihrem Tod zu sehen. Das Leben ist kurz, hatte sie zu sich gesagt, also kommt es darauf an, Spaß zu haben.
    Aber jetzt war es Zeit, erwachsen zu werden. Jetzt brauchte Water’s Edge sie  – und nicht wie früher sie Water’s Edge . Nur wusste sie nicht genau, was sie verändern sollte. Sie war zwar weder besonders organisiert noch geschäftstüchtig, aber doch schlauer, als viele glaubten. Sie musste nur mal darüber nachdenken.
    Zunächst würde sie sich aber dreihundert Dollar von einer ihrer Schwestern leihen.
    Sie würde ihnen sagen, es sei eine gute Investition.
    Winona hatte gern das Sagen. Ganz gleich wo und wie. Und zwar nicht nur von der Seitenlinie. Im College hatte ihr ein einziges Seminar »Verfassungsrecht« für die Vision ihrer Zukunft genügt. Jetzt, mit siebenundzwanzig, führte sie das Leben, das sie sich schon immer gewünscht hatte. Natürlich war es noch nicht perfekt (sie war nicht verheiratet, hatte keine Beziehung, keine Kinder und kämpfte immer noch mit ihrem Gewicht), aber fast. Sie war bei weitem die erfolgreichste Anwältin in Oyster Shores. Man hielt sie allgemein für fair, klug und hartnäckig. Es hieß, es wäre besser, sie sich nicht zum Feind zu machen. Ihr Ruf war Winona fast genauso wichtig wie ihre Ausbildung. Mochten ihr Vater und Vivi Ann alles für ihr Stück Land tun, sie, Winona, hatte breiter gefächerte Interessen. Für sie zählten die Gemeinde und die Menschen, die dort wohnten. Ihr machte es nichts aus, dass Vivi Ann das schöne Herz des Orts war; Winona wollte der Kopf sein.
    Sie streckte die Hand aus und drückte einen Knopf auf der Gegensprechanlage. »Der Gemeinderat wird in zehn Minuten da sein, Lisa. Sorgen Sie dafür, dass wir genug Kaffee haben.«
    Ihre Sekretärin antwortete prompt: »Schon erledigt.«
    »Gut.« Winona wandte sich wieder dem kleinen Stapel Unterlagen vor sich zu. Er bestand aus ein paar Umweltgutachten, einem Bebauungsvorschlag und einem Immobilienkaufvertrag, den sie aufgesetzt hatte.
    Damit konnte Water’s Edge gerettet werden.
    Obwohl das vielleicht ein wenig übertrieben war, schließlich stand die Ranch nicht gerade am Rande des Ruins. Sie ähnelte eher einem der ausgemergelten Klepper, die Vivi Ann ständig retten musste: Sie schleppte sich so gerade dahin. Jeden Monat brachten ihr Dad und Vivi Ann kaum genug Geld auf, um die Ranch zu halten, und die Steuern stiegen immer weiter. Diese abgelegene Ecke des Staates war noch nicht von Yuppies entdeckt worden, die heruntergekommene Ufergrundstücke in bare Münze verwandelten, aber das war nur noch eine Frage der Zeit. Eines Tages würde ein Bauunternehmer erkennen, dass ihr verschlafenes Städtchen an einem atemberaubend schönen Küstenstreifen mit Blick auf die alpenähnlichen Olympic Mountains stand, und wenn das geschähe, säße ihr Dad plötzlich auf einhundertfünfundzwanzig Hektar höchst begehrten Landes. Durch die hohen Steuern würde er entweder verkaufen müssen oder seinen Besitz verlieren, und obwohl dies unvermeidlich war, schien es außer ihr niemand zu bemerken. Dabei geschah das bereits überall im ganzen Staat.
    Sie machte sich ein paar Notizen auf ihrem Block, Stichwörter, die ihr helfen sollten, ihn zu überreden. Vor allem musste er begreifen, dass die Sache wichtig war und sie eine Möglichkeit gefunden hatte, ihm zu helfen,

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