Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)
einer kleinen Pause fragt er plötzlich: „Was meinst du, ob Quattro sehr darunter leidet?“
„Worunter soll er leiden?“ fragt Dorean verwundert.
„Na, darunter!“ Elmer zeigt auf das Relief. „Ich möchte nicht der Sohn eines solchen Verbrechers sein und dazu noch Korenther. Es gibt viele, die Korenther nicht mögen. Sogar Admirander Reganta, der sonst ein Pfundskerl ist, verhält sich Quattro gegenüber äußerst reserviert, als ob der etwas dafür könnte…“
„Der Admirander verhält sich Terry Spinks gegenüber genauso zurückhaltend – das hat also nichts zu sagen. Du weißt doch, daß der Großadmiral Terrys Vater hinrichten ließ…“
Elmer nickt stumm.
„Jahrhundertelang gewachsene Vorurteile lassen sich eben nicht in drei Jahrzehnten auslöschen“, fährt Dorean fort.
„Mir ist das egal, ich habe nichts gegen einen Menschen, nur weil er früher Korenther war. Aber jene, die die Zeit selbst miterlebten, denken da sicher anders.“
„Ist ja auch egal. Das ist lange, lange her. Da lagen wir wohl noch in den Windeln. Komm, laß uns weiterfahren“, sagt Dorean gleichgültig.
Das kurze Erlebnis hat Elmer nachdenklich gestimmt. Er sieht Zoarix, das ehemalige kulturelle und politische Zentrum des Reiches Korenth jetzt mit anderen Augen. Gerade hier – im Park-Urbanidum – lebte die Führungsschicht dieses letzten irdischen Staatengebildes auf der Grundlage der Klassengesellschaft. Mit einigem Unbehagen stellt er fest, daß sich eigentlich nicht viel verändert hat: Auch heute ist das zentral gelegene hochmoderne Konglomerat aus Wohntrakten und Versorgungseinrichtungen, kulturellen Stätten und dem Netz der Tubifexröhren ein Refugium der Prominenz.
Gewesen, berichtigt er sich in Gedanken. Selbst im befreiten Korenth gab es noch deutliche soziale Unterschiede, vielleicht ist das der Grund für die kühle Distanz, die so mancher zu den Bewohnern dieses kleinen Teils der Erde wahrt.
„Hier, die Baxmor-Siedlung! Links abbiegen!“ Dorean reißt Elmer aus seinen Gedanken und greift ihm ins Lenkrad. Elmer läßt es widerstandslos geschehen, denn er hat wieder einmal geträumt, statt auf die Fahrbahn zu achten. Nur gut, daß die Dronder-Transversale menschenleer ist, so leer wie das ganze Urbanidum. Mit pfeifenden und quietschenden Reifen schlingert der Amigo um die Kurve.
„Mann, geh vom Gas runter!“ brüllt Dorean ihn an. Seine linke Hand umklammert das gegabelte Lenkrad, während er mit dem Knie Elmers Fuß vom Pedal stößt. Als sie im Schrittempo weiterfahren, entdeckt Dorean an einer Tür einen orangeleuchtenden Punkt.
„Ein Rhosigma-Siegel! Da muß ein ganz hohes Tier gewohnt haben, wenn sie die Tür versiegeln!“ frohlockt er.
„Du willst es doch nicht etwa öffnen?“ fragt Elmer entsetzt.
„Aber klar!“ Dorean lacht vergnügt. „Wir sind doch selber Angehörige der Raumsicherheit.“
„Quatsch, das gilt auch für uns“, entgegnet Elmer energisch und will vorbeifahren, aber Dorean greift zum Armaturenblock und schaltet einfach den Motor ab, dann springt er aus dem Amigo.
„In den Vorschriften steht ausdrücklich, daß es Unbefugten verboten ist, ein Rhosigma zu brechen. Aber wir sind doch Befugte! Sonst dürften wir ja auch nicht die RS-Basis auf Aurora betreten – dort hängen überall Schilder, die es Unbefugten untersagen!“
„Na klar, weil wir selber zur Raumsicherheit gehören, aber…“ Elmer schweigt verwirrt.
„Eben“, antwortet Dorean lakonisch und entfernt ohne Zögern das Siegel. Wieder weiß Elmer, daß sie einen Fehler begehen, aber Doreans Selbstsicherheit schläfert sein schlechtes Gewissen erstaunlich schnell ein. Vielleicht finde ich dort einen Quarzwecker aus der präkybernologischen Ära, flüstert eine Stimme in seinem Inneren, möglich wäre es, gerade hier…
Das erste, was ihm auffällt, sind die blinden Bildschirme der Panoramaflächen, die fast über drei Wände reichen. Das muß eine Aussicht gewesen sein, geht es ihm durch den Kopf. In der Wohnung seiner Eltern gab es nur eine Panoramawand je Zimmer, und allein darum wurden sie schon von vielen beneidet.
Hier hat wirklich eine wichtige Persönlichkeit gelebt, stellt er fest, als er das Licht seiner Handlampe durch das Zimmer streifen läßt. Mehrere Videophone nebeneinander lassen darauf schließen, daß der ehemalige Wohnungsinhaber wohl kaum wußte, was das Wort Freizeit bedeutet, ein riesiger Arbeitstisch mit unzähligen Schubfächern, Eingabetastaturen mit dazugehörigen
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