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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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wir den Epigonen zu Dank verpflichtet. Der nämliche »Sturm« brachte aus der Werkstatt von Kurt Heynicke:
Händefassen.
     
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Stelle dein Seelchen in die Vase mit hellgrünen Birken
zage will ich Wächter sein.
Schimmer und Schein ist alle Welt
rot und golden alle Stunden erhellt
Fern hergetragen in das Nun.
Weile vor mir.
     
Morgen verschlingt uns der jegliche Tag.
Heute nachtigallen noch alle Sterne.
Wind aus den Rosen will mit uns reden.
Duftreich erblühn wir uns in den Schoß.
     
    Daraus kann der Prosaschreiber mancherlei lernen, vor allem, wie man zwanglos aus einem Hauptwort ein Verbum macht. Ich nachtigalle, du nachtigallst, er lercht, wir goldammern, ihr pirolt, sie baumpiepern. John Locke hat sich über die unzureichende Zahl helfender Wörter beklagt. Hier stehen sie zu Legionen in Aussicht. Denn wenn die Sterne nachtigallen können, so steht nichts im Wege, auch die Nachtigallen sternen zu lassen. Die Singvögel werden nicht nur flöten, sondern auch planeten, kometen, monden, venussen und siriussen. So duftreich können wir uns in den Schoß erblühen, wir und die andern Seelchen in der Vase mit Birken. Ob dieser Baum wohl in einer Vase Platz findet? Das kommt nicht in Betracht; Hauptsache ist: wir birken, ihr laubholzt, sie pappeln.
     
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    Und nun zu euch, ihr lieben Dadaisten , ihr allerletzte Blüte auf dem deutschen Parnaß. Nicht vergebens hat die deutsche Sprache gerungen, da sie diese äußerste, vorläufig unüberbietbare Herrlichkeit zu erreichen vermochte. Aber die Entwickelungslinie läßt sich verfolgen vom Expressionismus über den Primitivismus, Exhibitionismus, Äternismus, Kataklysmus, Paroxysmus bis zum Dadaismus . Dieser setzte 1907 noch ziemlich schüchtern mit einem Druckwerk Walter Heymanns ein:
Der Sprosser ruft:
Du – du – du –
Sieh mal, – sieh mal, sieh mal!
Da – da – da –
Sieh mal, sieh mal, sieh mal:
Grün, grün, grün,
Blühn, blühn, blühn,
Sieh mal, sieh mal, sieh mal
Dadada – dadada – da!
     
    Seitdem hat sich diese Kunstform auf dem Umwege über eine Züricher Dichterschule weiter ausgebildet, sie drang bis in die Reichshauptstadt und hat hier die Prüfung zum höheren Literaturdienst mit Ehren bestanden. Zu ihrem Lobe kann ich feststellen, daß sie nicht welscht, sich von den Untugenden unserer arg verkünstelten Prosa abkehrt und mit kerngesunden Trieben in die Allmutter Natur einwurzelt. Unnötig erscheint es mir, die einzelnen Vertreter dieser allerneuesttönenden Dichtung zu nennen. Nur auf ihre Leistungen kommt es an, und diese sollen hier nicht verschwiegen werden; denn sie sind schon merklich über das zwar verheißungsvolle, aber doch noch stammelnde Da da da hinausgewachsen. Wir finden Dada da (wörtlich):
O burrubuh hibi;
Umbaliska bumm Dadai, ..
     
    eine Versstelle, die höchstens noch von der folgenden an schmelzendem Wohllaut und Gefühlstiefe übertroffen wird; der Schluß eines dadaistischen Gedichtes lautet, ebenfalls wörtlich und buchstäblich:
Burrubu hibi
o burrubuh hihi
o hojohojolodomodoho
     
    Es ist wirklich eine Freude, das erlebt zu haben, obschon es bis zu einem gewissen Grade vorausgeahnt werden konnte. Schon vor vielen Jahren erschien – übrigens mit meiner kräftigen Beihilfe – eine Reihe von parodistischen Büchern, betitelt: die Insel der Blödsinnigen, der Drehwurm im Überbrettl, der lackierte Affe, worin wir Kollegen vorwegzunehmen versuchten, was die dichtende Zukunft bringen würde. In einer dieser Vorahnungen gab eine talentvolle Mitarbeiterin die ahnende Probe:
Trinklied:
     
Daglonigleiaglühlala
Hahaha!
Daglonigloni
Noch eines Vroni!
Daglonigleia
Eia! Eia!
Daglonigluckgluckgluhlala
Trulala
    Hohoho!
    O!
    –   –   –   –
    Ha! –   –   –
    Ah? –
    – ˘ ˘ ? – ˘
    ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !
    – ? –
     
    Das wurde in entlegener Zeit parodistisch vorgedichtet, als »die Moderne«, wie sich die Kunstschule nannte, ihre ersten Fühler ausstreckte, als in den literarischen Nachtkaffees männliche und weibliche Astralleiber auftauchten, die Goethe und Schiller für alten klassischen Quatsch erklärten und ihre eignen gesammelten Werke auf Zigarettenpapier und Hemdmanschetten aufschrieben. Immerhin waren es noch richtige Verse, die damals verfaßt wurden, und man durfte sogar Talent haben, um mitzudichten. Erst wesentlich später kamen unter Marinettis Führung

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