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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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die italienischen Futuristen auf, die in Mailand den berühmten Kunstabend veranstalteten mit den hartnäckigen Neutönen
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    und dafür von den Hörern gelyncht wurden. Folgerichtig entwickelte sich die Linie über alle Kriegsstürme hinweg, um auf germanischer Erde in einem Dadadada-Gestammel zu enden, das keiner Parodie mehr fähig ist.
    Man könnte die Frage aufwerfen, ob es sich denn überhaupt verlohnt, lyrische Fexe zu erwähnen, deren Hervorbringungen doch ganz einflußlos bleiben und dem Publikum nur bekannt werden, wenn mitleidige Feuilletonisten ihnen einige halb verulkende, halb ermunternde Zeilen widmen. Ich möchte diese Frage bejahen, sehr kräftig bejahen. Ein Buch, das sich mit Sprachentwicklung und Sprachzukunft beschäftigt, darf an dieser Erscheinung gar nicht vorübergehen, denn sie hat bei aller Komik der Außenseite einen sehr ernsten Kern. Sie zeigt uns, wohin die Reise geht, wenn das Grundelement der Sprache, das Denken, ausgeschaltet wird, und sie hält sich damit in engster Übereinstimmung mit den letzten Ausläufern der Malerei: Solange da noch nach berechtigten Kernen, nach aussichtsreichen Möglichkeiten geforscht wird, besteht die Gefahr. Und man forscht tatsächlich, man läßt sich einweihen, man späht und spürt und entdeckt im lallenden Gestammel Ansätze der Meisterhaftigkeit, Evokationen, Ähnlichkeit mit Hölderlin, Möricke, manchmal mit Goethe. Diese vereinzelten Anerkennungen Intelligenter besagen: die Neulyrik fiebert zwar, redet irre, aber zwischendurch zeigt sie doch lichte Augenblicke. Aber das gehört zu den Kennzeichen aller Delirien, und solange im Gesichtskreis des Deliranten überhaupt noch Mäuse erscheinen, tobt das Gift in seinen Adern. Das wäre im Sinne der Allgemeinheit zu verschmerzen, wenn wir nicht wüßten, daß solches Gift im Kunstbereich über den Körper des Befallenen ansteckend hinausfrißt. Die Angesteckten beginnen zwar nicht immer aus eigenen Visionen zu dichten, aber ihr Urteil wird fiebrig. Sie sehen Flecken und Mäuse in der Lyrik früherer Tage, zumal in der klassischen und romantischen, in der alten Volkspoesie, die noch dichtete und dachte, die noch die Sprache in rauschenden Faltenwurf zu legen wußte und Begriffe wie Gefühle in konstruierbare Sätze zu spannen verstand. Eine Welt von Herrlichkeiten geht ihnen verloren, und einer Welt möglicher Zukunftswerte versperren sie die Tore, sie, die Intelligenten, deren Einfluß größer ist als der Einfluß jener in Echolalie dahintaumelnden Stammler.
    Wir haben uns in vorangehenden Betrachtungen gegen die Annahme einer Sprachkrankheit gewehrt. Hier ist der Punkt, wo wir unseren Widersachern entgegenkommen müssen, freilich in anderem Sinn, als sie es meinen. Das deutsche Volk ist im Kerne sprachgesund, und es wird um so gesünder werden, je mehr Weltworte es sinnig verarbeitet. Denn in dieser Verarbeitung liegt das Maß der Denkerweiterung, Denkvertiefung, Denktauglichkeit, und Denken und Sprechen sind Eines. Die Gefahr droht aus einer anderen Ecke, aus dem lyrischen Winkel, in dem die Neutöner hausen. Scheinbar eng zusammengedrängt, auf Innenverkehr angewiesen, lassen sie einen Dunst ausströmen, der sich zu erkennbaren, krankheitbringenden Schwaden zu ballen beginnt. Der deutschen Prosa werden diese Dünste nicht viel anhaben, allein die Lyrik und besonders das Urteil über Versdichtung hat bereits einen Knacks weg. Es steht zu hoffen, daß sie sich davon erholen werden, denn die deutsche Dichtung hat den vorzüglichsten Arzt im Hause, eben die deutsche Prosa. Zudem besitzt sie eine gute Heilhaut und eine ursprünglich kräftige Natur. Dafür spricht die Tatsache, daß sie trotz jener -ismen noch lebt. Wie stark muß sie sein, daß sie das aushält!!

Bunte Steine im Kaleidoskop
    Das sind Einzelheiten aus dem Sprachleben, die ihre Bedeutung erst in der Vervielfältigung erhalten. Dann fügen sie sich zu Figuren, die erfreulich genannt zu werden verdienen, nämlich für die, denen eine Vermehrung der Einsicht Vergnügen bereitet. Zu solcher Vervielfältigung, die aus losen Objekten reizvolle kaleidoskopische Figuren formt, gehören spiegelnde Flächen, und eben darauf will unser Vergleich hinaus. Jede der größeren Erörterungen in diesem Buche kann als Spiegel dienen, und jede der folgenden Einzelheiten erwartet aus ihnen ihre Reflexe. In der geistigen Netzhaut des Lesers mögen sie sich dann zu einem Linien- und Farbenspiel vereinigen, wofür die Steinchen an sich

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