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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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in ihrer ursprünglichen Anlage nur die erste Andeutung mitbringen.
    Fatal, daß ich für meinen Vergleich schon wieder ein Fremdwort brauche, und noch dazu eines, das sich aus drei griechischen Bestandteilen zusammensetzt. »Kaleidoskop« läßt sich doch ganz gut übersetzen, es heißt auf Deutsch ziemlich genau: »Schönbildschauer«. Nach Duden kann man auch sagen: »Sehspielzeug«. Wie so oft trifft auch hier Sarrazin in seinem vorzüglichen Wörterbuch das Richtige, indem er Kaleidoskop gar nicht übersetzt, nicht einmal erwähnt. Er scheint damit andeuten zu wollen, daß der Verdeutscher die Finger lassen soll von Dingen, die jedem Kinde in der Urform geläufig sind. Das gewährt mir für das Gleichnis dieses Kapitels wenigstens einige Deckung. Ich hätte ja freilich für die nachfolgenden bunten Splitter die Entwicklung zu »sehspielzeuglichen« Figuren erhoffen können, oder zu »schönbildschauerlichen«, und wäre dann der Rüge entgangen, der ich nunmehr wegen verstockter Fremdwörterei verfallen muß. Aber mir kommt es doch zunächst darauf an, verstanden zu werden, gleichviel ob eine von mir gebrauchte Wendung jeder Prüfung standhält oder nicht. Spreche ich von einem Kaleidoskop, so weiß jeder, was ich meine, rede ich aber von einem Schönbildschauer oder Sehspielzeug, so wird unter zehn Lesern kaum einer erraten, was mir als Vergleichswerkzeug vorschwebt.
    Und nun zu den Objekten –, ich wollte sagen zu den Einzelgegenständen, für deren unmittelbare Zusammengehörigkeit ich ja nach der zuvor geäußerten Erwartung nicht zu sorgen habe.
    *
     
    Da im Goethe wie in der Bibel alles steht, so konnte es nicht fehlen, daß im Fremdwortkampf beide Parteien eifrig ihren Goethe befragten, um ihn als höchste Autorität gegen einander auszuspielen. Noch wichtiger als seine eigenen Aussprüche zum Kampfthema an sich – er hat genug Erbauliches darüber geredet – erschienen seine Dichtwerke als unmittelbare Beweise für und gegen. Und da brauchte einer nur zum Beispiel den »Faust« aufzuschlagen, wo er wollte, er fand, was er suchte, in Überfülle, ein ganzes Museum der Fremdworte, eingelagert in die Unendlichkeit des Dichtwerkes, das ja im In- wie im Auslande als das gewaltigste, vielen sogar als das deutscheste aller Werke gilt.
    Schon das Vorspiel begibt sich nicht auf der Schaubühne, sondern auf dem Theater, der erste Mann ist kein Bühnenleiter, sondern ein Direktor, der von gedrechselten Komplimenten, von einem Ragout redet, nicht Prospekte und Maschinen schonen will. Das heut so verpönte »Element« ist dem Dichter ein Deutschwort, jedenfalls ein freigestelltes Weltwort, die Lustige Person lädt zum Griff ins volle Menschenleben mit dem Schlagwort »interessant«, während der Dichter von der unharmonischen Menge, von Rhythmen, Akkorden, Maximen zu reden weiß. Daß Faust selbst und Mephisto wie Berliner Leitartikler bis an die Grenze der Möglichkeit »welschen«, braucht noch gar nicht übermäßig betont zu werden; sie, wie der Schüler und der Famulus gehören ja in eine lateinische Welt und müssen sich in der Sprache ihrer Zeit ausdrücken. Aber hatte es Goethe nötig, er, der Faustgoethe, wenn er für das deutsche Stück Figuren schuf, gar so römisch-griechisch-klassisch – so pennälerhaft, wie die heutigen Völkischen spotten – zu Werke zu gehen? Ist das überhaupt noch ein deutsches Stück, in dem als Personen nicht nur Autor, Orthodox, Minister, Parvenü, sondern Musaget, Xenien, Proktophantasmist, Supranaturatist, Homunkulus, Psyllen, Marsen, Magna peccatrix, Una poenitentium und der Ci-devant Genius der Zeit auftreten?
    Da haben sich nun die neueren Sprachvögte einen famosen Griff zurechtgelegt, um ein für allemal jeden, der sich für's Fremdwort auf Goethe berufen will, unterzukriegen. Sie stützen sich nämlich mit der einen Hand auf Goethes offensichtlich sprachreine Lyrik und schlagen mit der andern Hand eine Volte. Der Sinn dieser Volte aber ergibt sich aus folgendem Gegenruf:
Frechlinge ihr, die ihr uns immer wieder den Goethe
unter die Nase reibt, – dichtet ihr erst einmal
ein Werk wie der Faust , dann sollt ihr auch fremdwörteln
dürfen wie Goethe!
     
    Daß man das zu hören bekommt, ist so sicher wie das Amen in der Kirche, und es klingt ja auch so zwingend, so niederschmetternd, daß dem Angeschnarchten gar nichts übrig bleibt, als in die Knie zu sinken. Natürlich kann ich kein Weltwerk schreiben wie der Faust, und damit habe ich auch das Recht verwirkt, mich

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