Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
bestimmt wird, sind Ausdruck und Bildung im Sinne wirklicher Geistigkeit, wirklicher Einheit von Dichten und Denken. Und so wird auch den Neutönern hier nur das abgefragt, was sie uns an Geistigem in ihren eigenen neuen Sprachformungen zu bieten haben.
Aber wo sind bei Stefan George die Neuprägungen? Überwiegen nicht die Schablonen, die klischierten Vergleiche, mit denen die Goldschnittlyriker von jeher die Erde verhimmelt haben? Ohne Unterlaß umklingeln uns da »sonniger Flaum«, »klingende Flocken«, »glutumsäumte Firmamente«, »Gold und Rosen«, »dunkle Anemonen«, »Demantenes«, »Silberflocken«, »Blüten-Überschwall«, »silbrig welkes«, »Purpurlicht«, »Purpurschwellendes«, »Perlmutterfarbenes«, »Gold-Karneol«, – wirklich da fehlen nur die Gelbveiglein, und man hätte alles beieinander, was sich schmachtselige Gouvernanten nur wünschen können. Gold, – Silber, – Silber, – Gold, – versilbert, übersilbert, entsilbert, umsilbert, – ein Bimetallismus, ein Bimmelmetallismus ohne Ende.
Aber schließlich muß doch aus der abgründigen Tiefe der Dichtung auch Neues im Ausdruck ans Licht steigen, zumal uns dies ausdrücklich versprochen wird. In dem Bande »Der siebente Ring« wird uns vom Dichter selbst angesagt:
Euch ist die Haut nur kund – – – –
oder noch besser in Stefan Georges urschriftlicher Notierung
Euch ist die haut nur kund –
Wir wissen tausend namen
Von wind- und wolkenschub
Vom heer im wassergrund
Von tausend dunklen samen
Die finsternis vergrub.
Das macht neugierig. Und wir, denen die Haut nur kund ist, wir haben ein Recht zu der Forderung: Her mit den tausend Namen, die du weißt! lege sie nieder auf den Literaturtisch, zur Bereicherung unsrer Sprache, aber nicht die sonnigen Flaume, das flockige Silberzeug – denn diese Namen wissen wir auch –, sondern die tausend neuen, die du, nur du, wissend geschürft und gefördert hast!
Sollen wir die letzte Strophe des nämlichen Gedichtes schon für den Anfang einer Erfüllung nehmen?
Euch stach man nie den staar:
Ihr wandelt blöd und dumpf.
Wir feiern fest am sumpf
Am wasen der kafiller
Im giftigen fosforschiller
Sehn wir das wesen klar.
Nun, das klingt doch wenigstens, wenn auch nicht allgemein verständlich; denn nicht jedem dürfte es bekannt sein, daß der »Wasen der Kafiller« ungefähr soviel bedeutet wie Schindanger oder Abdeckerei, und außerdem: wenn die Sprache um Ausdrücke kämpft, so sorgt sie sich nicht gerade um den Schindanger und seine Synonyme, sondern um ganz andere Dinge. Aber hier sind es Hexen, die im fosforschiller an der Abdeckerei das Wesen klar sehen und tausend Namen wissen, die sie dem Dichter als ihrem Verkünder doch zweifellos mitgeteilt haben, also nochmals: heraus damit!
Man muß aber mit der Lupe suchen, ehe man was findet. Vielleicht hier?
. . . . . für zehntausend münder
Hält einer nur das maß. In jeder ewe
Ist nur ein gott und einer nur sein künder.
Was mag ewe sein? klein geschrieben, nicht mit v, sondern mit w schließt es den Verdacht aus, als könnte etwa Eva gemeint sein. Neuprägung? Ich vermute so etwas: ein verkürzter, poetisch verdichteter Ausdruck für »Ewigkeit«; was ja auch im Zusammenhang einen ganz guten, sogar bedeutungsvoll ansprechenden Sinn ergibt.
Sollte meine Mutmaßung nicht gänzlich fehlgehen, so hätten wir hier allerdings einen Sprachfund. Was hat sich unsereiner schon mit dem holprigen Wort »Unendlichkeit« geplagt; sagen wir: »Die Unendle« und wir können einen sprachlichen Fortschritt buchen; statt Obrigkeit zu setzen: die Obre, statt Geschicklichkeit: die Geschickle, wäre statthaft, und die Deutle, ich meine die Deutlichkeit, würde darunter nicht leiden. Freilich der Weimaraner wußte noch nicht zu schreiben: »Was man von der Minute ausgeschlagen, gibt keine ewe je zurück«; aber zwischen dem altbackenen Dichter Schiller und dem modernen fosforschiller besteht eben ein Unterschied.
Weiter!
— — — — — —
Verlöschen muß der kerzen bleiches glinstern . . .
— — — — — —
Du warst für uns in frostger lichter glosen . . .
Diese Ausdrücke sind, wenn nicht neu erfunden, so doch so fabelhaft selten, daß sie als Neuprägungen gelten können. Sanders geht an ihnen vorbei, obschon sich glinstern auf finstern und glosen auf Rosen reimt. Die Hauptsache ist, daß sie für alle Bezeichnungen des Leuchtens, Glitzerns, Glimmens den Hinweis zu neuen
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