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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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der Weltworte zu bedienen, die den Fausttext bevölkern.
    Anders ausgedrückt: Quod licet Jovi, non licet bovi, was dem Jupiter von Weimar erlaubt war, paßt sich noch lange nicht für ein am Fuß des Olymps weidendes Rindvieh; erst muß einer den Befähigungsnachweis für die Höhe des Olympiers erbringen, ehe er sich herausnehmen darf, gleich einem Goethe Ausdrücke anzuwenden, wie: interessant, reüssieren, Phantasie, Meteor, Mikrokosmos, spekulieren, präparieren, Paragraph, System, Qualität und Dutzende von der Sorte.
    Wenn aber durchaus der Abstand vom Jupiter zum bos maßgebend und als Erkenntnisgrund durchschlagend sein soll, dann dürften wir doch den Spieß umkehren und sprechen: Wir boves können freilich keinen Faust schreiben, aber könnt ihr boves denn Goethesche Lyrik dichten ? und wenn wir boves uns für unsere Sprachansicht nicht auf den Faust berufen dürfen, wie kommt ihr boves dazu, euch für eure Sprachansicht auf Goethes Lieder zu stützen? Hier liegt doch wohl Grund und Gegengrund hüben und drüben mathematisch genau verteilt!
    Es fällt uns also gar nicht ein, in die Knie zu sinken; im Gegenteil: wenn diese Kampfmethode überhaupt einen Schimmer von Berechtigung hätte, dann könnten und müßten wir ergänzen: Sagt doch, ihr Sprachvögte, könnt ihr Prosa schreiben wie Schiller, wie Kant, wie Schopenhauer, wie Heine, wie Mommsen, wie Ranke, wie Lotze, wie Mauthner? Und wenn ihr das nicht könnt, woher nehmt ihr die Befugnis, Gegenwärtige und Künftige zu maßregeln, von denen etliche jenen Mustern näherkommen dürften als ihr?
    Aber nach eurem unerbittlichen Regelmaß sind das ja gar keine Muster, vielmehr Fremdwörtler, von deren verwelschendem Einfluß wir uns ringend erlösen müssen. Danach wird sich die Literatur auf ihren weiteren Wegen einzurichten haben. Viel Glück auf die Reise!
    *
     
    Wenn schon durchaus übersetzt werden soll, dann auch möglichst allgemein und durchgreifend. Was Eigenname war, kann mit leichter Biegung Art- und Gattungsname werden, Zeit- oder Eigenschaftswort, und wenn es dann fremdländisch wirkt –, wozu erst warten, bis dieser Zustand erreicht ist? Fangen wir lieber beim Eigennamen an, beim nomen proprium, in der Hoffnung, daß sich einige Exemplare unserem Begehren willfährig erweisen werden.
    Durchweg geht das freilich nicht. Der Begriff »Robinsonade« ließe sich vielleicht noch ganz deutsch umschreiben, aber der Robinson selbst wird den englischen Anklang nicht los; für Galvanismus und faradisieren ließen sich vielleicht Näherungsworte finden, aber Galvani und Faraday machen Schwierigkeiten. Minder störrisch würde sich der gelehrte Pasteur benehmen: man könnte ihn ganz wörtlich als »Schafhirt« ins Deutsche hinüberpflanzen und besäße dann ein Mittel, um das störende Fremdwort »pasteurisieren« zu beseitigen. Wer da verdeutschen wollte: »krankhafte Gärungsstoffe durch Erhitzung abtöten«, der machte sich durch schulmeisterliche Langatmigkeit lächerlich. Sagen wir einfach für pasteurisieren: »schafhirteln«, dann ist die Aufgabe gelöst, und wir können in der Schule der Allesübersetzer eine gute Klassenzensur bekommen.
    Die Humoristik hat sich dieser Angelegenheit längst bemächtigt, aber auch im hohen Schrifttum finden wir Anläufe nach derselben Richtung. Sprach doch Goethe von »Julius dem Römer«, wenn er den Maler Giulio Romano meinte. Wir möchten indes hinzufügen, daß in dem gewaltsam übersetzenden Humor ein recht ernster Kern steckt, nämlich wirkliche Sprachkritik. Ursprünglich mögen derlei drollig klingende Namensverdeutschungen aus einem reinen Ulkbedürfnis hervorgegangen sein. Man nannte Johanna d'Arc: das Bogenhannchen; Signorelli: Herrchen; Leoncavallo: Löwenpferd; Don Juan: Herr Hänschen; Racine: Wurzel; den Philosophen Bacon: Speck; Gambetta: Beinchen; Shakespeare: Schüttelspeer oder noch moderner: Schütte-Lanz; und bei Torquato Tasso genügte ein Blick ins lateinische und italienische Lexikon, um die ziemlich wörtliche Ungeheuerlichkeit: »Verdrehter Dackel« zustande zu bringen.
    Es ist ein Gebiet der unbegrenzten Möglichkeiten. Wer den Fabeldichter Jean de Lafontaine Johannes Born oder Hans Springbrunn nennt, kann sich noch immer auf Goethes »Julius der Römer« stützen. Ohne sträfliche Willkür dürfte einer den Cartesius Herrn von Karten benamsen, denn der Philosoph unterschrieb sich Des-Cartes. Baruch Spinoza zeichnete als Benedictus d'Espinosa, und von da bis zu Gesegneter Stachlicht ist

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