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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Extrem zu nennen, wie der Präsident von Haiti.
    Auf der ersten Seite desselben Blattes las man's anders. Da wurde das Reichssprachamt herbeigesehnt als Erwecker der alten, kräftigen, frischen Mundarten, da wurde gegen das leidige »hölzerne Papierdeutsch« fröhliche Attacke geritten. Wie nun, wenn das Reichssprachamt nächsten Tages erschaffen worden wäre? Welche Maßregeln hätte es gegen den krausen, papierdeutschen Liberia-Satz mit seinem Berufs-Neger zur Anwendung gebracht?
    Das können wir natürlich nicht wissen. Desto sicherer sind wir in der Behauptung, daß das »dritte Ohr«, so wie Nietzsche es versteht, gerade bei denen am seltensten vorkommt, die am stärksten auf den Besitz dieses Organs angewiesen wären. Selten genug ist es ja überhaupt. Und wenn es einer sein eigen nennt, dann hat er aus den Geheimnissen der Sprache zum mindesten das herausgehört, daß eine Berufung an sprachamtliche Gewalten sinnlos ist.
    *
     
    Die Hilfstruppe der Sekundaner . Unserm Friedrich Nietzsche haben die Sprachreiniger weder das (vielleicht entbehrliche) »Ressentiment«, noch das gewaltige »Pathos der Distanz« verziehen. Wie ihnen denn der Zarathustra-Mann überhaupt sehr viel Pein verursacht, da er im Gebiet der Gegner eine gar zu starke Festung darstellt. Aber bei der Berennung dieser Festung ergeben sich üble Abenteuer, von denen ich ein besonders verhängnisvolles hier herausgreife. Unsere Hauptautorität (E. E.) schreibt nämlich:
    ....... »Endlich ein paar Sätzchen von einem so berühmten Schreiber, daß ich ihn vorerst nicht zu nennen wage: »Man übersetze sich solchen physiologischen Habitus in seine letzte Logik.« – »Ich nenne dies eine sublime Weiterentwicklung des Hedonismus auf durchaus morbider Grundlage.« – »Die Philologie ist die Ephexis in der Interpretation.« Dieser unerhört berühmte Welscher heißt Nietzsche; er stellt insofern eine ganz vereinzelte Ausnahme dar, als er zwei durchaus verschiedene Stile schrieb: einen unausstehlichen Welscherstil, der sich nicht von dem Gewelsch der Dutzendschreiber unterscheidet, und einen bezaubernden deutschen Kunststil, dessen Reiz grade in seiner kristallnen Sprachreinheit besteht. Nebenbei: Nietzsche war »klassischer Philologe«, schrieb aber in einem seiner Anfälle toller Welscherei, da doch durchaus gewelscht werden sollte, die vollkommene Sinnlosigkeit von der »Ephexis« nieder. Dieses griechisch sein sollende Wort steht in keinem griechischen Wörterbuch, kann in keinem stehen, denn es ist nicht griechisch und kann nicht griechisch sein, wie jeder bessere Sekundaner begreift. Es steht auch in keinem Fremdwörterbuch; was alles natürlich nicht hindert, daß die Nietzsche-Bewunderer auch die Ephexis bewundern, die sie nicht verstehen, und weil sie sie nicht verstehen.«
    Also im Buche »Sprich deutsch«, das hier den Weisen von Sils-Maria auf das Zeugnis des besseren Sekundaners hin als einen Fälscher festnagelt, der den Leuten mit gemogelten Worten auf griechisch imponieren will. Also die Ephexis steht in keinem griechischen Wörterbuch, bedauerlicherweise in keinem, worüber unsere Autorität verfügt. Wie aber, wenn Ephexis doch ein gut griechisch Wort wäre und z. B. im großen Wörterbuch von Jacobitz und Seiler stünde?? Wie ferner, wenn dort mit genauer Angabe auf Aristophanes als Standort hingewiesen würde?? Es heißt da wirklich ἡ ἔφεξις der Vorwand , kommt her von ἐπέχω (ep-echo, Futurform ephexo, seine Gedanken worauf richten, im Sinne haben), einem in der ganzen Griechenliteratur gebräuchlichen Zeitwort; keinesfalls würde ich dem besseren Sekundaner raten, dies zu bestreiten, da er sonst bei seinem Oberlehrer in Unannehmlichkeiten geraten würde. Und jener herausgerissene Nietzsche-Satz birgt den ganz verständlichen Sinn: Die Philologie bietet den Vorwand in der Interpretation, will sagen, das Interpretieren, das Erklären ist (in einem bestimmten von Nietzsche vorausgesetzten Zusammenhange) für den Erklärer nicht Selbstzweck und Hauptsache, sondern dient dem Ausbreiten philologischer Künste als Vorwand. Es wäre natürlich ebenso kleinlich wie töricht, einen vereinzelten Satz bei Nietzsche auf landläufige »Richtigkeit« zu prüfen. Wohl aber muß man ihn schützen, wenn beim Angriff auf ihn unterstellt wird, er habe sich falscher Worte wie falscher Spielkarten bedient, um den Leser zu übertölpeln. Im vorliegenden Fall ist der Angriff glänzend mißlungen, was zu beweisen war und, wie ich

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