Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
Vom Netzwerk:
Byzantinergriechisch, so will ich dir's übersetzen; hast du aber nur einen Klingklang aus eigener Vollmacht verübt, so mach' ich's wie du, nenne das Ding Virama, sage, es sei Sanskrit, und erwarte den Gegenbeweis. Da Sanskrit noch vornehmischer als Griechisch ist, so hast du nicht zu mucken.«
    Mucken wir ein wenig, im Namen des ärztlichen Welschers, der es sich erlaubt hat, die Lehre von der Euphorie zu verkünden, und der es sich dafür gefallen lassen soll, hier als der »ewige Pennäler« behandelt zu werden, dem man das Lexikon um die Ohren schlägt. Mucken wir, indem wir das Lexikon vom Boden aufheben, nachschlagen und ausrufen: Aber, du gestrenger Magister, du quengelnder Besserwisser, kannst du nicht lesen?! Hier in meinem Wörterbuch steht doch εὐφορία, euphoria, das leichte Tragen, Geduld, klar abgeleitet von euphoros, dem zugehörigen Eigenschaftswort, das bei Plutarch, bei Xenophon, bei soviel anderen guten Schriftstellern vorkommt! Und der aufmuckende Pennäler könnte ergänzen, daß das echtklassische Euphoria schon bei den altgriechischen Ärzten als eine Erscheinung im Lebensablauf auftritt, wenngleich die Lehre von der Euphorie ihren fachgründlichen, auf reiche Erfahrung gestützten Ausbau erst in unseren Tagen (zumal durch Wilhelm Fließ) erfahren hat. Ehe er also poltert, der Magister, schaffe er sich ein anständiges Lexikon an und erkundige er sich bei Fachleuten, ob die Euphorie wirklich ein so einfach Ding ist, daß es sich mit einem kurzen Wort übersetzen ließe. Man wird ihm das Gegenteil beweisen. Und wenn der Erklärer sehr viel freie Zeit zur Verfügung hat, wird er ihm sogar ein Licht darüber aufstecken, daß der sinnvolle Anklang an Goethes Euphorion hier für das sprachlich vortreffliche Fremdwort noch einen besonderen Schönheitswert darstellt. –
    Durchweg läßt sich feststellen, daß solch ein Magister zu seinem aufgedonnerten Hochmut nur über die Vorstufe des mangelnden Fachwissens gelangt. Mit winzigem Gepäck springt es sich ja am leichtesten zu jener Höhe, von der herab man die wirklich Wissenden als Pennäler betrachten kann. Die Wissenschaft liefert uns in Unzahl Worte, die mit ausgezeichnetem Klange ganze Entwicklungsreihen einschließen, höchst umständliche Bedeutsamkeiten, die sprachlich unverwertbar bleiben müßten, wenn man nicht das zusammenfassende, abkürzende Wort dafür erfunden hätte. Um aus den Tausenden nur einige wenige zu nennen: Abscisse, Potenz, Integral, Asymptote, algebraisch, Interferenz, Polarisation, Koeffizient, – Entropie, Spektralanalyse, Katalysator, Induktion, Determinismus, Finalität, virtuell, geozentrisch, Heliotropismus, – wo anfangen, wo aufhören? Der Magister zupft aus dem Begriff, je nach Glück und Zufall, ein Begriffelchen, gibt diesem eine Teilübersetzung, die sich zum Original verhält wie der Katzenschwanz zum Löwen, und hat dann die Sprache gerettet. Setzt sich dann der Wissende zur Wehr, so wird er in die Klasse der Pennäler gesteckt, und weist ihm der Wissende im Einzelfall einen offenkundigen Unsinn nach, dann macht sich der Magister mit einem Scherzwort zum Herrn der Lage; er gibt den Unsinn mit der Wendung preis: »Man müsse von Zeit zu Zeit dem Walfisch eine Tonne zum Spielen hinwerfen.«
    Der Walfisch, – das sind wir, die wir das Abenteuer durchschauen, die wir uns der Verkümmerung des Sprachgutes widersetzen, die wir Weltworte richtig deuten und eine leere Tonne für das nehmen, was sie hier ist: für eine inhaltsleere Behauptung. Nur weiter fort in dieser anmutigen Beschäftigung! Du glaubst zu werfen, und du wirst geworfen. Ist's ein Spiel, Herr Magister, dann werden Sie es verlieren!
    Besser schon, er läßt es fallen und bleibt in vollem Ernst auf dem Kampfgelände, das er übersieht. Daß er dort eine Größe darstellt, habe ich zuvor willig anerkannt. Und ich werde nie aufhören, ihm bei aller Sachgegnerschaft zu huldigen, wenn er mir mit dem funkelnden Rüstzeug seines eigenen, durchaus literarischen Wissens zur Bewunderung Anlaß gibt.
    *
     
    Bedeutungswandel . Über dieses Thema sind schon dicke Stöße geschrieben worden, und wollte man all das erörtern, was an wichtigem noch übrig bleibt, so kämen erst recht dicke Bücher heraus. Hier soll nur eine auffällige Einzelheit herausgegriffen und dem Leser zu weiterem Nachdenken überliefert werden.
    Man kann getrost behaupten, daß fast jedes Wort, sofern es nicht etwas unverrückbar Gegenständliches bezeichnet, aller erdenklichen

Weitere Kostenlose Bücher