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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Trennung in Ur-Instinkt so leicht abgewöhnen könnte.
    Läßt sich die Konsonantenstülpung in länglich zusammengesetzten Worten nicht verhüten, so mildere man wenigstens ihre phonetische Mißwirkung. Schreibt man Großkampf-Schiff, so erteilt der Bindestrich den Sprachwerkzeugen einen leisen Wink, sich neu einzustellen. Bei »Großkampfschiff« wird das unmöglich, zwischen dem Blaselaut pf und dem Zischlaut sch liegt im Munde ein mechanisches Hindernis, das sinnfällig hervortritt, wenn man bei deutlichem Aussprechen die volle Aufmerksamkeit auf die Stellung der Organe richtet. Wo die Zischlaute aufeinanderplatzen, wird die Schwierigkeit des unvermittelten Übergangs noch stärker; man beobachte die tonerzeugenden Werkzeuge in Worten wie Waschschüssel, Klatschschwester, Schwatzstube, Fischschuppe, Fortbildungsschulzwang.
    Da sind ferner die Konsonanten in dritter Potenz. Stutzt nicht noch heute jeder Schreiber wenigstens für die Dauer einer Sekunde, wenn ihm Worte wie Schifffahrt, Helllicht in die Feder kommen? Mit klaren Ursprungs-Zeugnissen treten diese Gebilde auf, und man sollte darin nicht herumkorrigieren, um die Dreizahl der Buchstaben in eine Zweizahl zu verfälschen. Sie verlangen ihre wohlgezählte Menge, die Stillleben, Schnellläufer, Klapppult, Kristalllinse, Kammmacher, Schallleitung, Brennnessel, Schlammmolch, Rollladen, Stofffülle, Sperrriegel, und der Dreizahl beinahe gleichzuachten ist die Doppelerscheinung der räuspernden ch in Sprechchor oder in Bachchromatik. Nur die Trennung kann hier helfen, nicht aber eine von Amtswegen erlassene Regel, die mir einfach aufgibt: »Wenn bei Zusammensetzungen drei gleiche Mitlaute zwischen Selbstlauten zu stehen kommen, so ist einer davon zu streichen.« Also in Galopppferd oder in Falstafffluch bleibt es beim Dreifachen, aber der Brennnessel, der Schifffahrt wird ein wohlerworbener Buchstabe abgesägt. Kein Sprachamt rührt sich, um die unförmlichsten Wortklötze zu zerschneiden, aber hier wird das Amputationsmesser zur Eisenbartkur angesetzt. Für mich sind Schiff und Fahrt geschlossene Organismen, und eine Schiffahrt kommt mir vor wie eine schiefe Fahrt mit amputiertem e; verkürzt man die Stalllaterne um ein l, so ergibt sich für mich eine Stahl-Laterne mit fortgeschnittenem h. Und das Stilleben ohne drittes l gilt mir als das Leben eines Stils oder einer Stilgattung. Bindestrich, steige aus der Versenkung und erbarme dich des Problems!
    Die erwähnte amtliche Verordnung geht, wie mir wohl bekannt, am Bindestrich nicht grundsätzlich vorbei. Sie verordnet ihn sogar als Schutz gegen Irrungen in Worten wie Schill-Erinnerung, Drucker-Zeugnis und dem vorgenannten Grün-Dung. Aber damit schöpft sie doch nur Tropfen aus einem Ozean von Möglichkeiten, die aus dem Reichtum unserer Sprache fließen und sich in beständig wachsenden Ausdrucks-Verkettungen äußern. Einstweilen harrt der Bindestrich seiner Berufung in Geduld. Noch ist seine Zeit nicht gekommen; aber wenn wir erst bei Wort-Mammuten von dreißig Silben und darüber anlangen, dann könnte sich doch die Sehnsucht nach dem Zeichen erheben, das so geringen Platz beansprucht und so bedeutende Ordnungs-Hilfe leistet. Dann mag es wirken, bis es selbst wiederum – wie an anderer Stelle dieses Buches zu lesen – durch die noch stärkere Leistung des abkürzenden Weltwortes überflüssig wird.
    *
     
    Liebliches und Betrübliches. Ich blättre in älteren Kammerberichten und stoße auf ein Kuriosum, das ich in aller Wörtlichkeit hierhersetze.
Deutscher Reichstag vom 30. März 1911.
Abg. Gräf -Weimar (Wirtsch. Vg.): Wir hatten unseren Antrag von allen Fremdwörtern gesäubert, die hier noch gebräuchlich sind, wie Etat, Kommission usw. Es wurde uns aber erklärt, daß ein solcher Antrag nicht gedruckt werden könnte. (Heiterkeit.) Den Seniorenkonvent könnte man Ältestenrat nennen. Auch für das Bureau, wo der Direktor sein Domizil – (Große Heiterkeit), – seinen Wohnsitz hat, wird sich ein anderes Wort finden. Sachliche Differenzen – (Erneute Heiterkeit) – existieren – bestehen in dieser Frage wohl nicht.
Präsident Graf Schwerin -Löwitz: Ihr Antrag soll zurückgewiesen worden sein, weil er Fremdwörter enthielt?
Abg. Gräf : In Konsequenz (Große Heiterkeit) unseres Antrages hatten wir alle Fremdwörter ausgemerzt.
Präsident Graf Schwerin -Löwitz: Der Antrag war als Adresse an den Präsidenten gerichtet. Meine Vorgänger haben aber stets den Standpunkt vertreten, daß Adressen an

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