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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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denke, bis ins letzte bewiesen worden ist! [Fußnote: Das Werk »Sprich Deutsch« lag mir in erster Auflage vor. Ich habe Grund zu der Vermutung, daß die Ephexis-Stelle aus den folgenden Auflagen verschwindet. Vielleicht erleben wir noch bis zur hundertsten Auflage unser blaues Wunder an dem Nietzsche-Verkenner von heute.]
    Nehmen wir einen anderen Fall, der die Zuverlässigkeit des nämlichen Angreifers in merkwürdigem Lichte zeigt. Es heißt in dem vorgenannten Buche des großen Welschtöters: »Ein vermutlich großartiger Mann, ein Herr Bernouilli , möchte der Welt seine großartige »wissenschaftliche« Entdeckung mitteilen: Je mehr einer schon besitzt, desto geringer ist seine Freude an der Vermehrung des Besitzes. Dieser Satz könnte aus einer Kinderfibel stammen, also muß er in erhabene Wissenschaft umgewelscht werden. Dies geschieht so: »Der subjektive Befriedigungswert eines objektiven Quantums der Güter ist der Summe der von dem betreffenden Subjekte bereits besessenen Güter umgekehrt proportional. Erst in dieser Fassung wird der Fibelsatz zur analytischen Psychologie oder Psychoanalyse, und wenn ich einer solchen Leuchte der Wissenschaft die pappene Welschermaske abreiße, so wird sie sehr böse, schimpft mich subjektiv und einen Puristen.«
    Ein gründlicher Haß gegen die Wissenschaft spricht aus diesen Zeilen, und wie mancher Leser vielleicht sofort vermuten wird, ein ansehnlicher Grad von Sachfremdheit. Aber der Wissenschaftsfeind hat hier besonderes Pech gehabt und wider Willen ein ganz erstaunliches Maß von Nichtkenntnis enthüllt. Die Zielscheibe seines mißglückten Spottes, » ein Herr Bernouilli « (falsch geschrieben), ist nämlich kein anderer als der große Mathematiker Daniel Bernoulli, der den zitierten Satz zum Ausgangspunkt einer höchst schwierigen, in ihren Ergebnissen ebenso überraschenden Wahrscheinlichkeitsbetrachtung genommen hat, und zwar nicht heute und gestern, sondern im Jahre 1731, und nicht in einer welschenden Deutschschrift, sondern in einer lateinischen Abhandlung: Specimen Theoriae novae de Mensura Sortis, herausgegeben von der Petersburger Akademie der Wissenschaften. Das braucht unser Wissenschaftsfeind nicht zu wissen, und er weiß es auch wirklich nicht; er findet den Satz irgendwo, stößt sich an den Fremdworten, schreibt ihn einem lebenden Schmierer zu, reißt ihm die pappene Welschmaske ab und erwartet trotzig, daß die ironisch gemeinte Leuchte der Wissenschaft, der Urheber der »wissenschaftlichen« Entdeckung in höhnenden Gänsefüßchen, nämlich »ein Herr Bernouilli« morgen sehr böse werden und schimpfen wird.
    Das wird ihm nicht einfallen, sintemalen ein Herr Bernouilli schon vor 138 Jahren das Zeitliche gesegnet hat, als zehnmal von der Pariser Akademie preisgekrönter Forscher. Wer seine Lehrsätze der »Kinderfibel« zuweist, der versteht weder sie, noch andere vom gleichen Rang, der hat keine Ahnung von derlei Dingen und besitzt nicht das mindeste Recht, den Wissenschaftlern dreinzureden, weder sachlich noch in der Ausdrucksweise, da die Sache vom Ausdruck gar nicht getrennt werden darf. Und wer aus reiner Unkenntnis der Dinge den Ausdruck »umgekehrt proportional« verhöhnt, der kann ja auch gleich das Newtonsche Gravitationsgesetz und die Hälfte der Physik dazu als kinderfiblig verspotten. Aber nein, verehrter Herr! so beweist man keine Verwelschung, sondern nur seine Ahnungslosigkeit und sein völliges Unvermögen, eine große Frage beurteilen zu können; die Frage nämlich, in welchen Ausdrucksformen sich die Wissenschaft und das wissenschaftlich befruchtete Schrifttum überhaupt zu bewegen hat. –
    Ich blättere weiter in dem »Buch zur Entwelschung« und stoße auf folgenden Zornerguß:
    »Ein ärztlicher Welscher gebraucht, d. h. erfindet sich ein großartiges Gelehrsamkeitswort Euphorie , das angeblich Wohlverhalten bedeutet, bezeichnet damit aus eigner Willkür den schmerzlosen Zustand mancher Kranken kurz vor dem Hinscheiden und fragt dann den dummen oder doch gutmütigen Puristen: He? wie willst du das übersetzen?, denn Sprache ist dem Welscher, dem ewigen Pennäler , das Übersetzen. Der Purist fällt darauf hinein, quält sich ab mit den selbstverständlich besseren deutschen Wörtern: Sterbefrieden, Sterbseligkeit, Erlösungsglück, Scheideglück, Sterbeglück, Schmerzlösung, anstatt dem Deutsch- und Griechischverderber zu entgegnen: Zeige mir in einem griechischen Wörterbuch deine Euphorie, wär's nur im elendesten

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