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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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messen hier nicht Kulturwerte, sondern Lese-Einheiten, und jene Kulturmillionen der Universal-Bibliothek bleiben federleichtes Gewicht gegenüber der anderen Wagschale, in der sich die Ballen und Rollen ohne Pause zu kosmischer Höhe türmen.
    Man könnte noch tröstlich einwenden: die Zeitung verfliegt mit dem Tage, mit der Woche, das Buch bleibt bestehen, wird immer wieder gelesen, woraus sich dann die Forderung ergäbe, die Lese-Einheit des Buches müßte selbst in rein mechanischer Wägung mehrfach eingesetzt werden. Aber erstens bleibt in der Bücherflut das mehrfach gelesene Einzelstück auf die Minderheit beschränkt, und zweitens versieht die Zeitung ihre Lese-Einheit mit einem Kraftfaktor, der noch erheblich stärker wirkt als die Möglichkeit wiederholter Lesung. Das Wesen dieses Kraftfaktors ist die Überrumpelung durch die »Aktualität«. Ist die Zeitung auf den Tag eingestellt, so entfaltet sie in dieser kurzen Zeitspanne eine Wirkung, die sich zur längeren Buchwirkung verhält wie der Stoß zum Druck. Der kleinste Stoß vermag den größten Druck zu überwinden, oder wie Galilei sagt: die Kraft des Stoßes ist gegen die Kraft des Druckes unendlich groß . Wird dies als zutreffend erkannt, so ergibt sich abermals ein wesentliches Übergewicht der periodischen Presse, – immer, wie selbstverständlich, mechanisch genommen. Aber auf den mechanischen Vergleich kommt es hier an, denn wir wollten doch die »werbende Kraft« der bekannten Sprachbewegung prüfen und hierfür eine statistische, durch Zahl und Maß erreichbare Unterlage gewinnen.
    Genügend erwiesen ist nun wohl nach dieser langen Vorbereitung, daß man sich zu allererst im Zeitungswesen umzusehen hat, um über die werbende Kraft zu einiger Klarheit zu gelangen. Und das haben auch die Vorkämpfer der Bewegung mit voller, auf Instinkt beruhender Deutlichkeit herausgefühlt. Sie wissen wohl, daß aus der großen Buchmasse für sie nichts herauszuholen ist, und jedenfalls kein Triumph in Sachen ihres heiligen Krieges. Und wenigstens in dem Einen sollen sie Recht behalten: gelänge es ihnen darzutun, daß sie die Zeitungen zu ihrer Ansicht, zu ihrer Sprachweise bekehrt haben, wenn auch innerhalb enger Grenzen, dann wäre ihre werbende Kraft überhaupt eine über jeden Zweifel hinausgerückte Tatsache. Und sie könnten frohlockend über das Versagen dieser Kraft, der Buchmasse gegenüber, hinwegsehen, da ja, wie ermittelt, die Bücher mit ihren vergleichsweise verschwindenden Lese-Einheiten gar nicht in Betracht kommen.
    Aber seltsam! statt des Jubelrufes, den wir erwarten, stöhnt uns bewegliche Klage entgegen; Jammer auf der ganzen Linie der Sprachreiniger und Ausdrucksputzer: die Presse, die böse Presse! die haben wir nun durch soviele Jahre zu erziehen versucht, mit allen Mitteln der Überredung und Einschüchterung bearbeitet, und sie will durchaus nicht stubenrein werden; überall und dauernd kleckert sie ihr Gewelschtes umher, trotz aller Gouvernantenkunst, die wir auf Schriftleiter und Mitarbeiter verschwendet haben!
    Diese Klage läßt sich nachprüfen in hundert und aberhunderten von Blättern der verschiedensten Richtungen. Aber wir wollen besonders vorsichtig sein. Wir wählen unsern Prüfungsbeleg gar nicht aus dem Legionenreiche der Widerstrebenden, vielmehr aus Schriften und Organen, die nach ihrem eigenen Bekenntnis vollkommen auf dem Boden der »Bewegung« stehen, die nach ihren eigenen, nicht zu bezweifelnden, mit hundert Ausrufungszeichen in die Welt hinausgeworfenen Losungsworten durchaus entschlossen sind, für völkisch-reines Deutsch zu wirken.
    Auf ihren literarischen Beilagen und unter dem Strich werden die schärfsten Attacken gegen die Fremdwörtler geritten. Bösewichte, die es noch wagen, einzelne Worte wie etwa »Interesse« oder gar »Desinteressement« anzuwenden, werden herausgeholt, gestäupt, zur Warnung festgenagelt. Man erfährt bei solchen Gelegenheiten, wie vieler Übersetzungen solch ein Einzelwort fähig ist; ein rühriger Kollege hat allein für dieses verruchte »Interesse« neunhundert Verdeutschungen herausgerechnet. Gott, wie »interessant«! Und so geht es unentwegt in verschiedenen Teilen des Blattes, durch Nummern, durch Jahrgänge, – kein Zweifel, das Programm wird erfüllt, die werbende Kraft zeigt sich in Goliathstärke.
    Nur wirkt sie nicht bis über den Strich hinauf. Da, wo die Politik verhandelt wird, oben in Leitartikeln und ihren Anhängen, hört man von der ungeheuren Werbetrommel keinen

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