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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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erdenklichen Vorbehalten durch Rechnung und Schätzung uns an die Summe heranzutasten.
    Eine Gewißheit steht am Anfang: Nach einer auf 1912 bezogenen statistischen Ermittlung erzeugte Deutschland als Jahresmenge rund 36 000 Werke in 53 000 000 Einzelbüchern, die zusammen eine Million Kilogramm Papier verschlangen. Die durchschnittliche Auflage des Einzelbuches hielt sich mithin auf der bescheidenen Höhe von ungefähr 1500 Exemplaren. Rechnet man den Bogen zu 25 Gramm, oder das Kilogramm Druckpapier zu 40 Bogen, so ergibt sich ferner, daß man in Übertreibung verfällt, wenn man die Bezeichnung »Werk« auf die Gesamterzeugung anwendet. Der durchschnittliche Umfang des Druckexemplares fällt mit etwa 3-4 Bogen winzig genug aus, und da sich doch in der Gesamtmenge auch genug Dickleiber und Wälzer befinden, so erreicht die überwiegende Zahl kaum das dürftigste Broschürenformat. Immerhin marschiert Deutschland mit der vollen Million Kilogramm Buchpapier und mit etwa 100 neuen »Büchern« pro Tag unter allen Ländern an der Spitze der Erzeugung; wir gelangen zu 60 Millionen Lese-Einheiten als Ausdruck dessen, was unser Buchmarkt den geistigen Verzehrern in einem Heilsjahr des Friedens anzubieten vermag.
    Aber ein ganz anderes Bild eröffnet sich, wenn wir statt des Buches die periodische Presse ins Auge fassen. Wir geraten in ein Gebiet der Ungeheuerlichkeiten, worin wir etwas nach Maß und Zahl Begreifliches nur mit Mühe festzuhalten vermögen. Es erscheint da geboten, aus der betäubenden Vielfältigkeit nur eine einzelne Erscheinung herauszugreifen, eines der großen Weltblätter, wie es vom Wirbel der hauptstädtischen Maschinen unablässig in die lesebedürftige Menschheit hinausgeschleudert wird.
    In dem von A. Fürst und mir herausgegebenen Buch der Tausend Wunder findet man Angaben über die hier obwaltenden Riesenverhältnisse, in denen die Ziffern zu Abenteuern und Orgien emporschnellen: Eines der erwähnten Großorgane mit einer Auflage von ¼ Million Exemplaren brauchte für eine gewöhnliche wochentägliche Morgenausgabe im Frieden (vor der Papiereinschränkung) durchschnittlich 130 Rollen Druckpapier in Gesamtlänge von 1 170 000 Metern. Für eine Sonntagsausgabe in der Weihnachtszeit wurden etwa 270 Rollen mit einer Papierlänge von 2 400 000 Metern verbraucht, was der Entfernung von Berlin bis Gibraltar entspricht. Mit der Länge des in einem Jahre verdruckten Papieres kann man den Erd-Äquator zehn Mal umwickeln, in Längsspannung des Streifens eine Verbindung zwischen unserm Planeten und dem Monde herstellen. Es sind Tagesausgaben gedruckt worden, die nach Buchstaben gemessen einen Band Schiller in der Cottaschen Ausgabe erreichten, vervielfältigt mit dem Multiplikator der Auflage, der das Typengewimmel bis zu unzählbaren Milliarden steigerte.
    Wie luftige Phantasiegebilde steigt es vor dem Betrachter auf, der sich trotzdem entschließen muß, einen ganz nüchternen Schluß zu ziehen; auf dem Wege liegen Rechnungen, deren Umständlichkeit wir ihm ersparen möchten; das vorläufige Ergebnis wird lauten, daß ein einziges dieser mit Milliarden und Weltkreisen spielenden Organe mehr Lese-Einheiten erzeugt, als der vereinigte Buchdruck im ganzen Reiche. Legt man Bogen neben Bogen, Quadratmeter neben Quadratmeter, so eilt die Zeitung im Gewaltschritt voraus und überflügelt den Wettbewerb aller Bücher, Jahr für Jahr um das Achtfache.
    Aber diese eine Zeitung steht doch nicht allein, sie ist nur ein Schwesterglied in einer unübersehbaren Kette von Tagesblättern und Zeitschriften. Unabweisbar wird somit die Annahme, daß der Zeitungsbetrieb als Ganzes mit einem Mehrheitsfaktor, der in die Hunderte gehen mag, über den Buchbetrieb hinausragt. Dieser schrumpft mit seinen für sich so imponierenden Lese-Einheiten zu einer Armseligkeit zusammen.
    Die hier nicht erörterten Zwischenrechnungen machen auf Genauigkeit keinen Anspruch. Aber ihre Fehlergrenzen bleiben erkennbar, und eine Umdeutung des Ergebnisses erscheint ausgeschlossen. Es verschlägt nichts, daß auch der eigentliche Buchdruck Gigantengewichte in seine Wagschale wirft; so der Verlag Reclam, der in den 50 Jahren von 1867 bis 1917 allein von Goethe–Schiller über 15 Millionen Bände über die Erde verbreitet hat, von altgriechischen und römischen Klassikern ½ Million, von philosophischer Literatur mehr als 5 Millionen, von geschichtlichen Werken über 6 Millionen, von Shakespeare 6, von Ibsen 4½ Millionen. Denn wir

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