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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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schlägt nach, und er findet in seinem Sprach-Baedeker: Vulkanisch gleich glutflüssig, feuerflüssig, geschmolzen, gesintert, verglast. Gewiß, das sind Eigenschaftswörter, die eine Sinnbeziehung zum Vulkanischen aufweisen, aber ebenso zu einem Hochofen, zur Sonnensubstanz, zu einem Laboratorium. Wenn ich eine Persönlichkeit als »vulkanisch« bezeichnen will (z. B. Mirabeau, Cromwell oder einen Künstler wie Rubinstein), so liegt mir vor allem an der Bildhaftigkeit des Vergleiches, an der sinnfälligen Parallele mit einem wirklichen Vulkan. An die Naturerscheinung will ich anknüpfen mit ihren donnernden Eruptionen , mit ihrer überwältigenden Wirkung, mit ihrem Zusammenprall von hochlodernder Glut und wüster Schlacke, – ich sage »vulkanisch«, und das volle Bild steht vor dem Hörer und Leser, wie es vor dem Sprecher und Schreiber gestanden hat. Wieviel bliebe davon noch übrig, wenn ich von einem glutflüssigen Mirabeau, einem geschmolzenen Cromwell, einem versinterten oder verglasten Rubinstein reden wollte? Nichts als eine Unzulänglichkeit oder Torheit und dazu eine Verstärkung der Erkenntnis, daß es in der »Umsäumung« der Worte irdische und himmliche Dinge gibt, von denen sich die Schulweisheit der Schulfüchse nichts träumen läßt. Der Vulkan gibt uns Anlaß zur Erörterung gewisser geologischer und kosmologischer (die Erd- und Weltkunde betreffender) Fragen, und im Rückblick auf die Urzeiten geraten wir an das Chaos . Der Gefährte will Urgemisch sagen, und ich muß ihm darin Recht geben: das Wort ist gut und deckt sich ziemlich vollkommen mit dem, was die Menschheit seit Hesiod unter Chaos versteht, als der formlosen Masse, aus der die geordnete Welt, der Kosmos, hervorgegangen gedacht wird. Das »Chaos« hätte sonach seine Wortrolle ausgespielt.
    Oder doch nicht? Wie gestaltet sich denn die Sache, wenn ich von einem » politischen Chaos « reden will, etwa von dem Zustande, wie er in Rußland nach Beginn der Revolution herrschte? War das ein »staatliches Urgemisch«? aber nein, erklärt der andere, hier übersetze ich eben Chaos mit Wirrwarr, Wirrnis, Durcheinander, Wust, Unordnung. Wiederum sehr gut, sobald es sich nur darum handelt, ein bestimmtes Merkzeichen der Revolution zu treffen, das Regellose, Unübersichtliche, Verworrene der Staatsverhältnisse.
    Nun berühren sich aber die beiden Begriffsgebiete, und ihre Grenzen fließen ineinander. Ich suche ein Wort, das in einem Atem sowohl den staatlichen Wirrwarr bezeichnet, als auch den Urzustand der Welt, die Gärung der unendlichen Masse, aus der sich eine Zukunftswelt entwickeln, herauskristallisieren soll. Ich versuche die Kleinlichkeit des Begriffs »Wirrwarr« zu überwinden, indem ich an den größtmöglichen Vorgang, an Schöpfung und Weltgestaltung, anknüpfe. Kurzum, ich wünsche einen Ausdruck, der mir gleichzeitig, kurz und erschöpfend jenes Urgemisch, den brodelnden Anfangszustand in allen Himmelsräumen bezeichnet, und dazu den durcheinanderwirbelnden Wust in einem modernen Staatsgebilde. Und mit hohem Sprachpreise wäre derjenige zu krönen, der diesen Ausdruck findet oder erfindet.
    Aber die Sprachbäcker und -schlächter (so nannte Paul Schlenther diese Zunftmeister) brauchen sich keine Mühe zu geben; denn der gesuchte Ausdruck liegt fertig gebacken vor; und alle Akademien der Erde werden zum bewußten Zweck keinen besseren, kürzeren, umspannenderen finden als das Wort, von dem wir ausgingen: das Chaos ! und nur derjenige wird es leugnen, in dessen Kopf es »chaotisch« – urgemischlichverworren aussieht.
    Auf dem Wege vom Chaos zur Ordnung können sich »Katastrophen« ereignet haben; und an Katastrophen wird man denken müssen, wenn man eben wie wir auf unserer Weltfahrt den Ausbruch eines Vulkans erlebt hat. Es kann aber auch alles im Wege langsamer Entwicklung – Evolution – vor sich gegangen sein. Zwei große Lehren stehen einander gegenüber, die der Revolution und die der Evolution , wie sie von ihren Urhebern (Cuvier–Lyell) verkündet worden sind. Da bietet sich den Übersetzungskünstlern ein lohnendes Feld; für die allmählichen Übergänge haben wir selbst bereits den Ausdruck »Entwicklung« vorweggenommen; die »Katastrophe« verdeutscht sich in: Wendepunkt, Entscheidung, Verhängnis, Unglücksfall, Unfall, Massenunglück, Verderben, Untergang, Vernichtung, Einsturz usw.
    Und nun stehen wir vor derselben Schwierigkeit wie beim »Chaos«. Mir liegt daran, ein Gleichnis festzuhalten, ein Bild. Ich

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