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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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will etwa von einem Umsturz in Staat und Gesellschaft reden, aber nicht wie von einem Verhängnis anderer Art, wie von einem Eisenbahnunglück oder einer Fabrik-Explosion, sondern mit dem beabsichtigten Hinweis auf die große Theorie von den Erdkatastrophen, von den Revolutionen, die (nach Cuvier) das Gesicht des Planeten geformt haben. Und im Zusammenhang damit will ich die umbildende Entwicklung nennen, die sich in den Bahnen des stetig wirkenden Verfassungslebens ergibt, wiederum mit dem bewußten Hinweis auf die entsprechende Theorie von Lyell, Darwin und Spencer. Will ich das, so beabsichtige ich die Vorgänge aus der Tagesenge herauszuheben und sie in das Licht weltumspannender Lehren zu setzen. Und das erreiche ich so einfach wie sicher durch Anwendung der Worte: »Katastrophe«, »Revolution – Evolution«, die an sich gut übersetzbar sind und nur das, worauf es mir ankommt, in keine Übersetzung hinübernehmen können; nämlich den Anklang an die Forschung und an den Widerstreit unter den Erforschern des Weltgeschehens. Diese Betonungen gehen verloren.
    Es war angenommen worden, daß wir unsere Wanderung in den Tropen begannen, um sie weiterhin bis in die subarktische, arktische Zone auszudehnen; der Andere sagt bis ins vornördliche und hochnördliche Gebiet; was aber durchaus nicht dasselbe ist. Denn für einen in Sizilien Beheimateten liegt z. B. Pommern schon im Hochnördlichen, während ein Stockholmer von Algerien als von einer tiefsüdlichen Gegend sprechen wird, ohne dabei an Antarktis, Arktis oder Polarland zu denken. Ohne den »Pol« oder die Arktos (vom Sternbild des großen Bären) ist eben nicht auszukommen, wenn in diesem Zusammenhang eine Bestimmtheit erreicht werden soll. – Nach der Heimkehr vergegenwärtigen wir uns noch einmal die durchmessenen Strecken, indem wir sie auf der Landkarte und dem Globus aufsuchen oder nachzeichnen. Der Andere verschmäht den als Wort durch und durch welschen, weil reinlateinischen »Globus« und sagt dafür Kugel oder Erdkugel. Er schwankt dabei keinen Augenblick, denn die Übersetzung ist wörtlich genau, bis zur vollkommenen Eindeutigkeit. Was tut er also? er zeichnet die Linien, die er auf der »Erdkugel« zurückgelegt hat, auf der »Erdkugel« ein. Daß es sich in dem einen Fall um ein von Menschenhand hergestelltes verkleinertes Abbild handelt, und daß der Satz kindisch und läppisch wird, wenn man im »Globus« nur die Kugelform, nicht aber die Verkleinerung und das veranschaulichende Hilfsmittel übersetzt, kümmert ihn nicht. Ihm genügt es, daß er wieder einmal ein Wort mit welscher Bannware durch Kernschuß getroffen und versenkt hat.
    Wir haben die Reise über viele Breitengrade, aber nur über eine ganz geringe Anzahl von Weltworten ausgedehnt; und wir brauchen sie räumlich nicht zu verlängern, um bezüglich der Worte und ihrer Ersätze die hundertfache Menge zu erreichen. Im Rückblick ergibt sich durchweg, daß unser lieber Herr von der Reinigungszunft zwischen zwei Möglichkeiten pendelt: Er wird unklar und verschwommen, wo es auf die Deutlichkeit ankommt, und er nagelt sich auf einseitige Bestimmtheiten fest, wo uns das Verfließende und Schattierte als das Wesentliche, das eigentlich Wertvolle gilt. In diese Geheimnisse der Begriffs-Umsäumungen einzudringen ist ihm nicht gegeben; vermöchte er es, so würde er seine Zunft verlassen, wenn seine Ehrlichkeit nur halbwegs auf der Höhe seiner Hartnäckigkeit stünde. Wir haben versucht, an einigen Punkten den Schleier von jenen Geheimnissen zu lüften; wirklich nur an einigen Punkten, selbst wenn man die entsprechenden Betrachtungen an anderen Stellen dieses Buches dazuzählt. Ein Foliant wäre darüber zu schreiben, wenn man dem Bedeutungs- und Schönheitswert der »Umsäumungen«, der Begriffsränder, auch nur bis zum zehnten Teile gerecht werden wollte. Tatsächlich liegt in ihnen von den Herrlichkeiten unserer Bildungssprache soviel beschlossen, daß sich aus ihnen ein besonderer Kronschatz gewinnen und formen ließe; freilich nur von denen und für die, in deren geistiger Rüstkammer die Fähigkeit zu selbständiger Sprachkritik vertreten ist. Bei den Sprachbäckern fehlt sie. Aber ich nehme an, daß unter den Empfängern der vorliegenden Anregungen mehr als einer aus eigenem Nachdenken jenen Schattenspuren im unermeßlichen Gebiet nachgehen wird, ohne sich durch das Hohngeschrei von der »Nüankße« ins Bockshorn jagen zu lassen; und mit dem Vorsatz, sich aus der Fülle der

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