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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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gehn, möglichst weit in die Welt hinein; mancherlei würde sich da draußen freier darstellen als in der engen Umfriedigung des Hauses und der Heimat. Der zuvor gebrauchte Vergleich mit dem Sportsmann diene als Reisevorbereitung; wie ein Jäger schußbereit vor dem Wilde liegt, so knalle er hier nach Lust und Sport auf Fremdworte und bringe sie zur Strecke. Ich will ihm Prachtexemplare zutreiben, jenseits der Grenzen, jenseits Europas, – in den Tropen zum Beispiel.
    Erster Schuß: auf die »Tropen« selbst. Da liegen sie entseelt am Boden, werden ausgeweidet, und ihr Fell gelangt ins Museum der Sprachkunde, wo sie fortan nicht mehr Tropen heißen, sondern Wendekreise . Ganz einverstanden, obschon ein Unterschied zurückbleibt: die Wendekreise sind zwei Linien, die Tropen eine Gebietsfläche, zwischen ihnen also ein mehrdimensionales Gebilde. Der Unterschied dem Wortsinne nach ist zu gering, um sich dabei aufzuhalten.
    Aber die Tropen entsenden als Begriff wieder ein Strahlenbüschel mit Färbungen, die wir uns nicht fortwischen lassen wollen. Wir sagen: tropische Tierwelt, tropischer Pflanzenwuchs und spüren, daß von der Fülle des Ausdrucks etwas verloren geht, wenn wir – umständlich genug, denn Wendekreis hat kein Adjektiv – sagen sollen: »Zu den Wendekreisen gehörige Tierwelt, Wendekreis-Pflanzenwuchs.« Ist hier etwas Psychologisches eingetreten? Zweifellos. Denn der Wendekreis gibt uns wesentlich eine Erstreckung, einen geographischen Hinweis, etwas auf die Erdgeometrie bezügliches; während in »tropisch« bereits die Natur Stimme gewinnt und mitschwingt. Das Geometrische tritt etwas in den Hintergrund, die Üppigkeit und Glut werden fühlbar. Das Wort »tropisch« hat eine höhere Temperatur als jede auf »Wendekreis« zurückgreifende Übersetzung. Wir sprechen auch von »subtropischem« Gebiet, »subtropischer Vegetation« und meinen mit dieser nicht schlechthin die Pflanzengestaltung in einem bestimmten geometrisch abgeteilten Erdgürtel, sondern eine gewisse Glut und Pflanzenpracht, die an die tropische erinnert, ohne sie völlig zu erreichen. Nicht der Standort ist dabei die Hauptsache (etwa die Lage am Mittelländischen Meer), sondern die Unterstimme des Wortes, der Gefühlston; leise aber unverkennbar liegt in ihm die Andeutung vom südlichen Klima.
    Zugegeben oder nicht, – es hat sich ein neues Beutestück zum Abschuß gestellt, das Welschwort »Klima« , – der Unentwegte kann seinem Sport wieder obliegen.
    Wie? er zögert? Mann Gottes, zeige deine Künste, aber nicht deine Verlegenheit! Wahrhaftig, er scheint Lust zu haben, das Wort für »eingedeutscht« zu erklären. Damit soll er uns aber nicht durchkommen; denn warum dieses Wort und nicht auch tausend andere vom selben Sprachrang? Klima ist und bleibt unverändert griechisch, heißt wörtlich soviel als Neigung, Abflachung, hat seinen Bedeutungswandel durchgemacht und will sich heut zur Ruhe setzen. Also her mit der Weisheit aus den Tiefen der Ersatzbücherei!
    Sie lautet beim Stichwort Klima: »Himmelsstrich, Erdstrich, Himmelslage; Gegend; Witterungs- oder Luftverhältnisse oder -beschaffenheit, Himmel, Luft.« Soll man's erst diskutieren, daß hier aus der reichen Umsäumung des Begriffes immer nur einzelne Flecken herausgeholt werden, ohne daß deren Gesamtheit irgendwie erfaßt wird? Tatsächlich bedeutet Klima die Summe aller Eigenheiten eines Gebietes in Luft, Himmel, Wärme, Feuchtigkeit, die Vereinigung alles Meteorologischen einschließlich aller Einflüsse auf Tier- und Pflanzenleben. Zwei Erdpunkte können zur selben Zeit gleiches Klima haben und verschiedene Witterung, gleiche Witterung und verschiedenes Klima; über dem Kilimandscharo wölbt sich der afrikanische »Himmel«, sein Klima ist sibirisch. Einzig und allein das Wort »Klima«, gebildet aus der Abdachung der Erde vom Äquator nach den Polen, aus der »inclinatio coeli« , hat seit Polybios genügend Zeit gehabt, um die Fülle der meteorologischen Beziehungen in sich aufzunehmen, die uns heut vorschweben, wenn wir von klimatischen Dingen reden. Die Ersatzbrocken liefern Hinweise auf Begleiterscheinungen, niemals die Sache selbst.
    Soeben sprach ich von den Erd- Polen ; wie denkt der Unentwegte über eine Reise dahin? Wahrscheinlich wird er zunächst den Abbruch der sprachlichen Beziehung zu dem Griechenwort beantragen. Pol, Polos, von pelomai herkommend, läßt sich verdeutschen: »Drehpunkt«, »Angelpunkt«, und vom Standpunkt dessen, der die Erdbewegung

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