Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Wörterbuch, – das ist wirklich noch nicht dagewesen!
So viele ihrer auch existieren mögen, haften sie doch, die andern alle, an der Langweiligkeit der Buchstabenfolge, haspeln sie sich mit selbstverständlichem Gleichmaß am alphabetischen Leitseil vom trocknen A zum dürren Z; – Engels Fremdwörterbuch kämpft! es beißt sich durch 15 000 Worte hindurch, und ein Blutbad bezeichnet den Weg. In keinem Ritterroman der Welt gibt es soviele Leichen wie in diesem Buche.
Räumen wir es getrost ein, daß mehrere Tausende der dahingemetzelten Welschworte kein besseres Schicksal verdienten. Sie verbluteten sich zu Ehren eines Temperamentes und einer Begabung. Denn auch das muß anerkannt werden: Engel ist wirklich ein Verdeutschungskünstler ersten Ranges und wird als solcher vielleicht dereinst neben Zesen, Opitz und Campe genannt werden. Eine große Anzahl der auf seine Rechnung kommenden neuen Deutschworte wollen wir nicht wieder verlieren; nämlich als bereichernde Zutaten, nicht aber als Mittel zu einer Zwangsveräußerung erworbenen Sprachgutes.
Und da meldet sich schon wieder eine Unstimmigkeit: Dieses Buch mit seiner deutschfördernden Absicht und seinen zahlreichen gelungenen Deutschformungen ist zugleich der stärkste Beweis gegen die Grundüberzeugung des Vorkämpfers. Würde restlos in Sprachübung übergeführt, was das Buch fordert, so wäre das Ergebnis ein deutschklingender Jargon, ausreichend zur oberflächlichen Verständigung, aber unfähig, geistige Feinheiten zu erfassen. Dieses volkstümliche, völkische, vielfach auch verrüpelte Deutsch wäre fortan nicht nur entwelscht, sondern auch entbildet.
Nehmen wir Stichproben, vorwiegend in Ausdrücken, die an anderen Stellen meiner Schrift nicht ausführlicher behandelt werden. Vergegenwärtigen wir uns dabei die Behauptung, daß alles übersetzbar sei, daß » jedes fremde, nicht vollkommen eingedeutschte Wort sprachwidrig, gemein, unkünstlerisch , unvölkisch, würdelos klinge«! Einige Erläuterungen werden bei gewissen Stichproben nicht überflüssig erscheinen. Wo ich sie unterdrücke, wird sich der Leser, wie zu hoffen, selbst den geeigneten Vers dazu machen.
Orient : Ost, = land, = welt (A. von Humboldt), Morgenland.
Diese Ausdrücke waren Goethe bekannt und geläufig. Warum schrieb er:
Wer sich selbst und andre kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Occident
Sind nicht mehr zu trennen.
– – –
Gottes ist der Orient!
Gottes ist der Occident!
klang ihm das nicht sprachwidrig und gemein? klingt es unseren Ohren unkünstlerisch und würdelos? Ach, hier steckt wohl noch ein Geheimnis, und das will ich dem Doctor Angelicus verraten, ihm, der immer nur bis zum Vorletzten oder Drittletzten dringt, aber niemals bis zum Letzten. Im Grunde steckt nämlich hier sol oriens , die aufgehende Sonne, die als Gottheit mitklingen soll im Ausdruck. Im klassischen Latein ist oriens vollkommen gleichbedeutend mit Sonnengott, Tagesgott; diese Beziehung festzuhalten mag dem Unvölkischen von Weimar wohl wesentlicher erschienen sein, als einen Reim auf Ost oder Morgenland zu finden. Und diese Beziehung schwingt noch heute hinüber in den Worten sich orientieren, Orientierung, selbst in dem Wort Neuorientierung, das dem Professor Engel so unsagbar albern erscheint. War es doch wesentlich dieser Ausdruck, der ihm den Aufenthalt in Spree-Athen vergällte und ihn veranlaßte, sich in Bornim bei Potsdam anzusiedeln, wo so fatale Anklänge an den klassischen Schund die Rede nicht verunzieren. Heißt es doch nunmehr in jenem Wörterbuch bei
orientieren: . . . sich zurechtfinden, = einstellen, . . . morgenländern (scherzhaft feldgrau, das ernst zu werden verdient).
Daß es dem Entwelscher selbst mit solchen komisch gemeinten und nur im Ulk zu verstehenden Ausdrücken völlig ernst ist, ersehen wir aus zahllosen Empfehlungen; wir finden z. B. beim Lehnwort
Torpedo : Zwiebelfisch (fg. = feldgrau),
nichts weiter; nicht einmal den Versuch, den unter Wasser wirkenden Sprengkörper irgendwie mit dem Torpedo der Zoologie, dem Zitterrochen, in Sprachvergleich zu setzen. Wir haben nunmehr die Wahl, Zwiebelfisch als den allein gültigen Ausdruck hinzunehmen oder Torpedo als eingedeutscht zu betrachten; dann aber wollen wir den nämlichen Vorzug auch tausend anderen Fremdworten zusprechen, gegen welche der Vorläufer anstürmt; z. B. der
Explosion: Entladung, Schuß, Spreng-, Zündschlag . . . Lospuff, Schlagwetter; Plotze (neu). – Warum nicht: Die
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