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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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genommen.«
»Immerhin gewahren wir bei vielen neben Lessing und Goethe das deutliche Bestreben, sich von dem eklen Wust der deutschen Humanisten- und Franzosenzeiten zu befreien.«
»Die Überlieferung dieses (an Gutzkow, Nordau, Lamprecht bewiesenen) scheingelehrten Wortgeschwöges reicht, wie die meisten Grundlaster des Gelehrtenstils, bis in die Humanistenzeit.« – – »Die tiefe, bleibende Deutschverderbung durch das lateinische Blutgift hat erst der Humanismus des 16. Jahrhunderts dem Körper der deutschen Sprache eingeträufelt.«
    Aber ist denn nicht unser Doktor Angelicus selbst ein Gelehrter, wohl gar ein Germanist, ein Erbe der strebenden Forschungen, deren Quell wir andern im Humanismus erblicken? Spürt er, der Gelehrte auf einsamem Sprachfloß, nicht, daß eine Strömung ihn trägt, dieselbe Strömung, die er von der Planke des Flosses aus beschimpft? Er selbst gibt uns die Antwort in einem Ausfall gegen die Schar der übrigen Germanisten, die es wagen, noch heute den alten Flußgottheiten zu huldigen:
»Die deutschen Gelehrten unserer Tage, die über altdeutsche Heldenlieder schreiben, benennen ihr Tun mit einem Barbarenwort, zusammengemanscht aus Latein, etlichem Griechisch, einigem Deutsch: Die germanistische Forschung, und schreiben, mit verschwindenden Ausnahmen alle, in ihren Büchern über die deutsche Heldendichtung ein ähnliches Sprachgemansche.«
    Und freilich, wenn schon das Wort »Germanist« als unvölkisch verketzert wird, dann muß wohl auch ihre gesamte nach Weltgültigkeit strebende Ausdrucksweise als verdammenswert erscheinen. Aber diesen Männern schweben nicht Kirchtümeleien vor, sondern germanische, weitgerichtete Geistigkeiten. Der Germanist, wenn er nicht bloß am Kleinkram einer Mundartforschung festklebt, ist Humanist, treibt Humaniora, fühlt sich als Erbe der Strebungen aus der Renaissance. Der Grad der Annäherung an die Antike, für Goethe und Burckhardt das Maß künstlerischer Wertschätzung überhaupt, ist für ihn selbst bestimmend, für seine Kultur und seine Künstlerschaft im Ausdruck. Gerade ihm kommt es zu, die Klänge aus der klassischen Vergangenheit aufzunehmen und sie einer Klangsprache der Zukunft anzunähern, welche die letzte Folgerung des Humanismus dereinst verwirklichen wird.
    Es gibt eine Folgerichtigkeit auch im Falschen. Und so spürt denn unser Angelicus sehr wohl, daß er, um auf seiner Linie nicht schnurstracks umkehren zu müssen, nicht bei den Germanisten stehen bleiben darf. Die ganze Richtung paßt ihm nicht, die ganze Wissenschaft wird von ihm ad audiendum verbum befohlen und gottsjämmerlich gerüffelt. In den Wintertagen von 1852 rief der berühmte Rückwärtsler Friedrich Julius Stahl sein bis in unsere Zeiten hallendes Donnerwort: Die Wissenschaft muß umkehren! Das aber war ein sanftes Gesäusel gegen die zerschmetternde Standpauke, die von Angelicus' geweihtem Munde losbricht. Also das ganze Sprachunheil der Zeit, die »Fremdwörterseuche«, kommt im Grunde von der Wissenschaft her, die mit ihrer »Kastendünkelsprache, ohne die geringste Begriffsbereicherung durch bloßes Wortgeklingel den Schein einer besonders neuen, besonders tiefen Geheimwissenschaft erzeugen will und bei den Unkundigen leider oft wirklich erzeugt ... Behörden und Sprachvereine mögen noch soviele schmutzige Zuläufe reinigen und verstopfen, aus immer neuen Schlammgruben und Sielen sickert ununterbrochen neue üble Jauche in den stolzen Strom unserer Sprache.« Der Jauchherd, darüber läßt der Zusammenhang keinen Zweifel, ist die Wissenschaft, deren Schlammgruben und Sielen mithin restlos, das heißt bis zum letzten lateingriechischen Ausdruck, zugeschüttet werden müßten.
    Leider aber hat die Göttin der Wissenschaft nur eine einzige Sprache gelernt, die Weltsprache, und kann sich auf andere Weise nicht verständlich machen. Man muß der Pallas Athene also die Zunge ausreißen. Und was aus den Jüngern werden soll, wenn die Meisterin verstummt, das mögen die Götter wissen.
    Der Großherr des heiligen Offizes will allerdings einige Ausnahmen zulassen. Gewisse abgelegene Zweige der Wissenschaft, deren Vertreter ganz unter sich arbeiten, sollen von den strengsten Maßnahmen verschont bleiben. Da kommt die Güte zum Vorschein. Leider eine ganz unbrauchbare Huld: Denn es gibt keine abgelegene Zweige, und wer vom Wesen der Wissenschaft nur eine Ahnung besitzt, der kennt ihre Verwebungen, den wunderbaren Kräfteaustausch an ihren fließenden Grenzen, der weiß

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