Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
auch, daß die Wissenschaft das gesamte Leben bis in seine letzten Verästelungen mit Denkstoff und Sprachstoff durchdringt. Alle Befruchtung müßte aufhören, wenn diese Düngung des allgemeinen Ackers – die dem zürnenden Engel als Verjauchung vorkommt –, jemals durch die Wasserkünste und Verwässerungen der Wissensfremden fortgespült würden.
Es klingt nun freilich sehr weihevoll, wenn die Schutzheiligen der Sprache als Ursprung des Wassersegens den Kastalischen Quell ausrufen. Durch den Jungbrunnen der Dichtung soll die Sprache hindurch, um ihre antiken Runzeln loszuwerden und ihr vergiftetes Blut aufzufrischen. Gut, ich nehme mir einen Gedichtband vor, nicht einen von den schlechtesten, und entnehme diesem Heilquell einige Tropfen zur Probe; hört sie rieseln:
Exempel, Elemente, Dedizieren, genieren, Pantheist, Obskuranten, Physikus, Pole, Kompaß, Prävenire, Versatilen, Interessen, Maltraitieren, Kompagnie, Firma, Kapital, Falsum, Kontinent, Projekt, in usum Delphini, Kollegen, Heautontimorumenie, Konstitutionell, –
Genügt's noch nicht? dann weitere Proben, immer aus demselben einbändigen kastalischen Quell, aus dem nämlichen unverfälschten, unverwelschten Borne:
Prisma, oval, retardieren, Revolution, geognostisch, Spatium, Probleme, Pyro-Hydrophylacium, fabulieren, Trilogie, Parabolisch, Séance, Rezensent, Dilettant, Neologen, Ornat, Funktionen, Kursus, methodice, Symbole, Mythologeme, Autochthone, Totalität, Katechisation, Enthusiasmus, protestieren, Credo, Panacee, Etymologie, Poetik, Politika, Logos, genieren, Metamorphose, Organ, harmonisch, Aeonen, Atmosphäre, Charakter, Ultimatum, Rhythmen, Antichambre, Transoxan, Kolumne, Sarkophage, Mirakel, Spelunke, sentimentalisch, Influenzen, staffiert, koloriert, passiert, frappiert, Typus, monoton, Sphäre, Qualität, Celebrität, kolossisch, paralysiert, Perfektibilität, – –
Der Leser weiß längst, wessen Dichtungen diese »Welschereien« entnommen sind, wessen poetische Ader mit diesem blutgiftigen Gerinnsel durchseucht waren. Und er entsinnt sich der Ansage unsres Vorkämpfers, »daß kein fremdwörtelndes Buch seinen Verfasser nur um ein Menschenalter überlebt«; er entsinnt sich dessen um so gewisser, als all diese, beliebig zu vermehrenden Proben durchaus nicht aus Goethes wissenschaftlicher Prosa stammen, sondern aus Goethes Gedicht blättern; aus Goethes gereimten, skandierten, lyrischen und spruchweisen Versen und deren Überschriften, die schon als Vorsatzworte das wahre Sprachbekenntnis des größten Dichters verkünden. Und wenn der Leser die kastalische Probe vervollständigt, so findet er in Goethes Reimsprüchen auch ein von Fremdwörtern verschmuddeltes Albumblättchen, das in hundert Jahren noch nichts von seiner Lebenskraft verloren hat:
Die Sprachreiniger.
Gott Dank! daß uns so wohl geschah,
Der Tyrann sitzt auf Helena!
Doch ließ sich nur der eine bannen,
Wir haben jetzo hundert Tyrannen,
Die schmieden, uns gar unbequem,
Ein neues Continentalsystem.
Deutschland soll rein sich isolieren,
Einen Pestcordon um die Grenze führen,
Daß nicht einschleiche fort und fort
Kopf, Körper und Schwanz vom fremden Wort.
Hundert Tyrannen damals, – wieviel sind es heute? und wie wenig wiegen die Tyrännchen von damals gegen den einen Großen, der keines lebenden Goethe Trotz zu befürchten hat; der Odem jener war Zephyr, der schnaubende Trotz des Heutigen ist ein Taifun!
Und in diesem Wettersturm trat ein Werk zutage, das in seiner Stoßkraft tatsächlich Unerhörtes leistet; dem wir also mit der Achtung zu begegnen haben, welche jeder Elementarkraft gebührt, sei sie gerichtet wie sie wolle. Es heißt: » Entwelschung – Verdeutschungswörterbuch «; ein tosender Widerspruch, in sich selbst widerspruchsvoll, ausgerüstet mit den Waffen einer Heilsschrift und den Werkzeugen des Hexenhammers; der alte Hexenhammer, Malleus maleficarum, hatte zwei Verfasser: Sprenger und Institor. Der Urheber des neuen ist Sprenger und Institor zugleich; er sprengt die Brücken zwischen Deutsch und Welsch als ein Institor eloquentiae, was nach Quintilian soviel bedeutet wie Austräger der Wortkunst.
Ich denke von solchem Titel nicht gering; und obschon ich viele der zu Unrecht verklagten maleficarum ins Herz geschlossen habe, muß ich doch gestehen, daß Meister Institor, eben unser Engel, den Prozeß gegen sie mit fabelhaftem Geschick führt. Zunächst widerlegt sein Buch die alte Weisheit des Rabbi Ben Akiba: ein spannendes
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