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Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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klappten ihre Tragpulte zu, die sie vor dem Bauch trugen, ließen Pergamentrollen zuschnappen. Jeder Strang englischer Wolle, jede Elle Tuch war registriert. Die Hanseleute rieben sich die klammen Hände und verabredeten sich auf einen Würzwein und ihr wohlverdientes Frühstück im Weinhaus.
    Schiffsknechte lösten die Leinen, die Laufplanken wurden eingeholt. Weitere Matrosen steckten die Spaken in das Gangspill, um den Anker zu lichten. Steuerbord legten sich die Schleppboote längs zur Galeone, um das schwere Schiff in einem Halbbogen in den Fluss zu ziehen und den Bug in Richtung auf die Themsemündung im Osten zu lotsen. Schrill tönte die Pfeife des Maats. Schwerfällig löste sich das Schiff vom steinernen Kai.
    Adrian von Löwenstein betrachtete voll Kummer das starre, bleiche Gesicht seiner Tochter. Wie jung sie war und wie entschlossen. Eben erst hatte er sein Kind wiedergefunden, und nun musste er erleben, wie es ihm entglitt. Der Liebe wegen. Der Liebe zu einem jungen Mann. Er kannte seine Tochter gut genug, um zu wissen, dass ihre erste Leidenschaft nichts Leichtfertiges hatte, keine flüchtige Laune war. Darin ähnelte sie ihrer Mutter – und ihm. Gott gebe, dass ihr der Schmerz erspart bliebe, den die Liebe ihm bereitet hatte.
    »Komm unter Deck«, murmelte er leise.
    Lunetta schüttelte den Kopf. Ihr Blick flog nach Osten, zur London Bridge. Der Tower, der ein Stück flussabwärts und jenseits der Brücke lag, war nicht auszumachen, aber nicht mehr lange, und er würde neben ihnen auftauchen, für immer unerreichbar.
    »Mein Kind«, hob der Graf erneut an. »Vertraue auf Chapuys, er hat geschworen, einen Weg zu finden! Er wird Lambert retten. Ich bin mir sicher, ihm kann das Unmögliche gelingen.«
    Lunetta hörte am Klang seiner Stimme, dass ihr Vater log.
    Welche Hoffnung sollte es noch geben? Stunden waren vergangen, seit sie die Werft beim Tower verlassen hatten. Aleander musste ihn abgefangen haben, und sie hatte keinen Zweifel, dass Lamberts Tod mit seiner Entdeckung besiegelt war.
    Wind bauschte ihren Umhang. Die Galeone drehte sich langsam in der Strömung, schon zeigte ihr Bug auf die London Bridge, die zu dieser frühen Stunde bereits vor Menschen wimmelte. Die Vorsegel der Galeone wurden aufgezogen, um sich die leichte Brise bei der Durchfahrt der Zugbrücke nutzbar zu machen. Schiffsknechte gingen beiderseits der Reling in Position; in den Händen hielten sie Treidel- und Zugseile, um sie den Knechten der Zugbrücke zuzuwerfen, die sie durch die Brückenöffnung ziehen würden.
    Lunetta und ihr Vater wurden beiseitegedrängt. Lunetta streifte erneut die Hand ihres Vaters ab, der sie sanft an der Schulter berührte.
    »Ich gehe zum Bug«, sagte sie heiser.
    »Kind, ich bitte dich, komm unter Deck.«
    »Nein, Vater, ich will wenigstens dem Tower Lebewohl sagen. Dem Grab meiner Liebe.«
    Der Vater wollte ihr folgen, doch seine Tochter schüttelte den Kopf. »Ich will allein Abschied nehmen«, sagte sie leise.
    Flink kämpfte sie sich zur Bugspitze durch. Der Wind empfing sie, riss ihr die Perlenhaube vom Haar. Lunetta achtete nicht darauf. Sie sah, wie sich die Zugbrücke langsam zu heben begann. Wie sehr hatte sie sich an jenem Tag, als sie mit Aleander auf die Brücke zuritt, danach gesehnt, auf dem Fluss in Richtung des Meeres zu entkommen. Nun wünschte sie, die Brücke würde sich nie öffnen, doch sie tat es. Bald ragte das mächtige Holzblatt der Zugbrücke senkrecht in die Höhe.
    Gaffer sammelten sich auf beiden Seiten der Brücke an den Mauern. Mützen wurden geschwenkt, Abschiedsgrüße geschrien, ein Sackpfeifer stimmte ein wehmütiges Lied an. Die Verwandten einiger Passagiere nutzten die Brücke als Plattform für ein letztes Lebewohl. Langsam glitt das Großschiff durch die steinerne Schleuse. Lunetta drehte sich auf dem Bug, um die Brücke von der anderen Seite zu betrachten.
    Johlen und Pfeifen wurde laut.
    »Runter da!«, schrie einer der Brückenwächter. »Runter mit dir, du Narr!«
    Lunetta öffnete ungläubig den Mund. Dann lief sie los, hastete über das Deck, sprang über die Passagiere, die sich zwischen Taurollen und Blöcken um mögliche Schlafplätze zankten. Sie stieß Matrosen beiseite, die ihr den Weg verstellen wollten, und erklomm das Achterkastell. Ihr Blick flog zum Zugturm hinauf. Sie sah die Stangen mit den aufgespießten Köpfen von Heinrichs Verrätern. Dazwischen stand ein Mann. Rot leuchtete sein loh-farbenes Haar.
    »Lambert!«, schrie sie aus

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