Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
Vom Netzwerk:
achttausend Schafe, siebenhundert Kälber und ungezähltes Geflügel verschwanden jedes Jahr im hungrigen Bauch des Hofes. Allein zweitausend Stück Rotwild steuerten die Jäger – als Erster unter ihnen Heinrich selbst – noch hinzu.
    Immerhin hatte Chapuys in letzter Zeit mit Genugtuung registriert, dass Heinrich, der einst als schönster Recke unter Europas Königen gefeiert wurde, langsam Fett ansetzte. Er kaschierte seinen sich wölbenden Bauch mit immer breiteren Schulterpolstern und ließ sich die Waden – seinen ganzen Stolz – eng umwickeln, um jugendliche Festigkeit vorzutäuschen. Ah, er wurde mit seinen vierundvierzig Jahren schwerfällig, dieser König. Und da es auch um die Kraft seiner Lenden schwach bestellt schien, bestand Hoffnung, dass Katharinas Tochter Maria eines Tages vielleicht doch Thronerbin würde, mangels anderer Konkurrenz. Von Heinrichs beiden Töchtern war sie die Ältere und stammte – anders als Anne Boleyns Tochter Elizabeth – von großen Königen ab. Nein, Spaniens Sache war noch nicht verloren, und England blieb – dem Essen und dem Wetter zum Trotz – eine reizvolle Insel. Sie besaß so viele interessante Seehäfen und eine so günstige Position, um Frankreich, den Erzfeind des Kaisers, von Norden her anzugreifen.
    »Es geht ihm heute Morgen schon viel besser«, riss Cromwell den Spanier aus seinen Betrachtungen und streifte einem seiner Falken zärtlich die Haube über den Kopf.
    »Ging es dem Vogel denn schlecht?«, fragte Chapuys, bemüht, seine Stimme besorgt klingen zu lassen.
    Der Minister bedachte ihn mit einem ärgerlichen Blick und reichte ihm das Tier. »Lasst jetzt endlich Eure Scherze, Chapuys.« Widerwillig nahm der Spanier den Falken entgegen und ließ ihn auf seiner behandschuhten Faust Platz nehmen.
    »Ihr wisst genau, ich spreche von Seiner Majestät dem König«, sagte Cromwell verächtlich.
    »Ah … si, el rey! Verzeiht, ich war ganz bei der Jagd!« Mit teilnahmsvoller Miene fuhr er fort. »Ja, man musste nach dem gestrigen Turnier bei Gott das Schlimmste befürchten, nicht wahr?«
    Cromwell winkte ab. »Er ist schon zuvor bei einem Tjost aus dem Sattel gehoben worden.«
    »Aber sein Ross fiel auf ihn, und er war drei Stunden ohne Bewusstsein. Zu denken, dass der König hätte sterben können, ohne die Thronfolge geklärt zu wissen! Es sei denn, Maria…«
    »Ihr kennt das Gesetz. Elizabeth ist Thronerbin«, unterbrach Cromwell ihn mit gut gespielter Empörung. »Und wenn seine Königin im Sommer mit einem Sohn niederkommt, ist ohnehin alles geklärt.«
    »Das wird Heinrich sicher beruhigen. Es heißt, dass ihm auch seit längerem ein böses Geschwür am Bein zu schaffen macht, das nicht heilen will.«
    Cromwells Augen blieben ausdruckslos. »Eure Informanten übertreiben wie stets.«
    Chapuys lächelte fein. »Nun, hoffen wir, dass die Salbe aus Pfauenschmalz und gemahlenen Perlen, die Heinrich für sein Leiden erfunden hat, bald helfen wird.«
    »Der König lebt, allein das zählt«, antwortete Cromwell schroff. »Und er hofft weiterhin auf einen Sohn – wie ganz England.«
    Chapuys nickte freundlich und dachte an die Wandteppiche im großen Bankettsaal von Hampton Court. Dort, wo die Höflinge speisten, hatte Heinrich der Achte die Wände mit vier leuchtend bunten Gobelins verhängen lassen. Jeder einzelne hatte den Gegenwert eines voll ausgerüsteten Schlachtschiffs. Die Stickereien stellten die Geschichte von Israels Stammvater Abraham dar, der noch im Greisenalter einen Sohn zeugte. Mit einer jungen Magd, die Gott ihm sandte, statt mit seiner neunzig Jahre alten Ehefrau.
    Aber war Anne noch immer die dazu Auserkorene?
    Chapuys betrachtete nachdenklich den behelmten Falken. Blind war er so zahm wie nutzlos. »Man redet bei Hof darüber, dass die besondere Gunst Heinrichs einer anderen als seiner derzeitigen Königin gehört, Cromwell. Und wir beide wissen, dass Heinrich die bedauerliche Neigung hat, seine Mätressen zu Königinnen zu machen.«
    »Chapuys, wie könnt Ihr es wagen!«
    »Es ist kalt, und wir sollten endlich zum Thema kommen. Wir sind auf der Jagd, compadre , und nicht bei Hof, wo wir eine Lüge mit der anderen tanzen lassen müssen.«
    Der Spanier hob das Handgelenk und befreite den Falken von der Haube. Das Tier schüttelte den Kopf. Chapuys ließ es aufflattern. Ein weiterer Schwärm unglückseliger Krähen kreiste am Himmel. Cromwell schwieg abwartend.
    »Ich kämpfe für die Interessen von Katharinas Tochter Maria und Ihr gegen

Weitere Kostenlose Bücher