Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Anne – nicht wahr? Sie hasst Euch und Euren Einfluss auf Heinrich. Hat sie nicht sogar schon darüber gescherzt, Euren Kopf rollen zu lassen? Eine sanftmütigere Königin wäre Euch sicher mehr als willkommen. Also, was wollt Ihr von mir?«
Cromwell starrte mit schwarzen Knopfaugen dem Falken nach. »Es spielt keine Rolle, ob Anne mich hasst. Entscheidend ist, dass die Zuneigung des Königs zu ihr tatsächlich verblasst.«
Chapuys bemühte sich nicht, Erstaunen zu heucheln. »Nur leider ist sie schwanger.«
»Sie hatte schon eine Totgeburt nach Elizabeth und ist mit sechsunddreißig in dem gefährlichen Alter, in dem Frauen mit ihren Reizen auch die Fruchtbarkeit verlieren«, sagte Cromwell schlicht und befreite auch seinen Vogel von der Haube. Pfeilschnell stieg er in den Himmel hinauf.
»Tja, dann bestünden natürlich Hoffnung und die Notwendigkeit, sie zu ersetzen«, seufzte Chapuys. »Wie hilfreich es für Euch wäre, ein wenig in die Zukunft zu schauen, um sinnvoll zu planen.« Er warf Cromwell einen lauernden Blick zu.
Dessen Miene blieb ausdruckslos. »Der König macht Englands Zukunft!«
Chapuys verneigte sich galant in Richtung des Ministers. »Und Ihr, Master Cromwell, und Ihr! Keine leichte Aufgabe, denn die Wünsche des Königs sind so … schwer zu berechnen, und wenn Anne ihm nun doch einen Sohn schenken würde, wäre sie unantastbar.«
Cromwell strich sein schlichtes, dunkles Jagdgewand glatt. Seine äußerliche Bescheidenheit war eine besonders widerwärtige Form von Eitelkeit, befand der spanische Botschafter bei sich. Der Minister drehte sich zu ihm um. »Wenn es dem Herrn allerdings nicht gefallen sollte…«
»Müsst Ihr – ganz im Sinne des Königs – rasch Vorkehrungen treffen. Ich verstehe. Die Annullierung einer weiteren Ehe wäre allerdings, nun ja, etwas peinlich.«
Cromwell nickte kalt. »Das würde der Durchschnittstölpel hinter der Schubkarre nicht verstehen.«
»Vor allem, nachdem jeder Untertan unter Todesandrohung darauf schwören musste, dass Anne Heinrichs erste und einzig rechtmäßige Gattin ist.«
»Diesen Eindruck gilt es zu verwischen. Der König möchte von seinem Volk geliebt werden. Es ist notwendig, dass er eine – mögliche dritte Eh… also Verbindung… als Junggeselle eingehen könnte.«
Chapuys unterdrückte mit Mühe ein Lachen und presste sich die behandschuhte Faust gegen den Mund. »Nun«, sagte er schließlich gedehnt. »Ich bedaure Eure Not aufrichtig. Was kann ich tun, um Euch zu helfen?«
»Überzeugt Euren Kaiser, dass er nicht weiter auf der Rechtmäßigkeit von Katharinas Ehe mit Heinrich beharrt. Sie war ungültig. Dieses lästige Kapitel muss endlich abgeschlossen und die Würde Heinrichs wiederhergestellt werden.«
»Warum sollte Karl das tun?«
»Weil England im Gegenzug nicht mehr auf der Rechtmäßigkeit von Heinrichs Ehe mit Königin Anne beharren wird, falls sie keinen Thronerben gebiert. Das verspreche ich Euch.«
Erneut hallte der Himmel wider von dem verzweifelten Flügelschlag sterbender Krähen.
»Annes Vernichtung ist also Euer Friedensangebot an Spanien«, folgerte Chapuys.
Cromwell nickte grimmig. »Ganz so, wie Euer Kaiser es immer wünschte. Damit wäre Katharinas Ehre wiederhergestellt.«
Chapuys richtete den Blick zum Horizont. Von Westen wehte stechender, nasser Schnee heran. »Das ist zu wenig. Ich verlange, dass Maria nicht länger als Bastard, sondern als Prinzessin und Thronprätendentin bezeichnet wird.«
Cromwell machte eine wegwerfende Handbewegung und erklomm sein Pferd. »Gewährt. Sie wird statt oder neben Elizabeth als mögliche Thronerbin eingesetzt, bis ein legitimer Sohn geboren ist.«
»Ein mageres Angebot.«
»Hört auf zu feilschen wie ein Haschisch kauender Ungläubiger. Kein vernünftiger Mensch will ein Weib auf einem Thron. Bedenkt, dass Annes Untergang Marias Leben erleichtern und schützen würde. Die Königin war es, die Maria zur Kammerzofe ihrer Tochter Elizabeth machte.«
Chapuys verzog vor Abscheu den Mund. In der Tat, dies war einer der vielen perfiden Nadelstiche Annes gewesen, und dass Maria seit ihrer Unterbringung im Haushalt der zweijährigen Elizabeth beständig unter mysteriösen Brechanfällen litt, war mehr als besorgniserregend. Man musste Maria und damit Spaniens Hoffnungen schützen.
»Und was, wenn Anne Boleyn England nun doch einen Thronerben schenkt?«, fragte er endlich.
Der Minister blickte geradeaus. »Dann hat dieses Gespräch nie stattgefunden.«
Chapuys
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