Das Geheimnis der toten Vögel
Westberg die ganze Zeit dort und hat seiner Frau Kurznachrichten geschickt, als wäre er zu Hause. Die Gespräche sind, dem Netzanbieter zufolge, aus diesem Umkreis geführt worden. Oder aber er war gar nicht da, sondern hat Sandra Hägg die Nachrichten an Yrsa schicken lassen. Aber wo ist Florian Westberg? Sein Pass ist verschwunden, und der Computer und der Laptop auch.«
»Ich habe vorhin mit Yrsa Westberg telefoniert«, sagte Hartman. »Sie hat erzählt, was ihr Mann bei seinem Verschwinden getragen haben könnte. Sie meinte, dass er Jeans, schwarzes T-Shirt, braune Lederjacke und Turnschuhe anhatte. Ich glaube, das können wir in der nächsten Nachrichtensendung noch unterbringen. Als sie dann das Haus noch weiter durchsucht hat, um zu sehen, ob noch mehr beim Einbruch gestohlen worden sein könnte, hat sie festgestellt, dass die Kameraausrüstung fehlte. Florian Westberg macht die Fotos zu seinen Reportagen selbst. Entweder hat er die Sachen bei sich, oder sie sind auch gestohlen worden. Yrsa Westberg ist sehr aufgewühlt. Sie wird bei ihrer Schwägerin, Ebba Westberg, wohnen.«
»Habt ihr das Obduktionsprotokoll von Sandra Hägg gesehen? Ich habe heute Morgen eine Kopie bekommen.« Mårtensson griff nach einigen Papieren.
Hartman schüttelte den Kopf. »War noch nicht in meinem Zimmer. Ist das eben erst gekommen?« Er nahm das Protokoll in Empfang und schaute es schnell durch, ehe er es an Maria weitergab. »Das bestätigt, was wir zu Anfang schon angenommen haben. Sie wurde erdrosselt und vorher mit einem stumpfen Gegenstand auf den Hinterkopf geschlagen. Nein, das ist nichts Neues. Ich sehe kein Motiv. Kein Raub, keine Vergewaltigung. Worum geht es hier eigentlich? Wie hieß noch ihr Chef, der Mann?«
Hartman suchte in seinem Gedächtnis, doch es fiel ihm nicht ein. So war es immer, wenn er schlecht schlief. Namen und Orte verschwanden einfach. In der Nacht hatte er wach gelegen und darüber nachgegrübelt, wie es wohl Marias Sohn und den anderen Kindern im Sanatorium erging.
»Reine Hammar. Die Freundin hat angedeutet, dass er ein besonderes Interesse für Sandra gezeigt habe und einmal bei ihr gewesen sei, als sie dort anrief.«
»Wir sollten ihn verhören, sowie er aus dem Sanatorium entlassen wird.«
»Ich habe noch an den Bilderverkäufer gedacht«, sagte Mårtensson. »Hat man den schon identifizieren können?«
»Wir haben die Suchmeldung an Europol rausgeschickt, aber es kann eine Weile dauern, bis wir ein Ergebnis bekommen. Wenn wir einen Namen hätten, würde es das natürlich leichter machen. Das einzige unverwechselbare Kennzeichen, das wir gefunden haben, ist eine hässliche Narbe unter dem rechten Schlüsselbein – keine Operationsnarbe, sondern eher die Folge einer Gewalttat. Das Gesicht ist aufgeschwollen und übel misshandelt. Auf so einem Foto lässt sich kaum jemand wiedererkennen.«
29
Als Hans Moberg aufwachte, wusste er erst nicht, wo er sich befand. Der fremde, weibliche Geruch hatte sich in seine Träume eingeschlichen. Im Traum hatte er sich auf einem Fest in einer großen weißen Villa am Meer befunden. Der Wein war in Strömen geflossen, alle waren betrunken gewesen, und irgendwie war er mit drei schönen Frauen, die nichts als farbenfrohe langhaarige Perücken aus Metallstreifen trugen, im Wasserbett der Gastgeberin gelandet. Aber das Wasserbett war leck gewesen und zu einem Meer geworden, und plötzlich war Sandra Hägg aufgetaucht. Er hatte versucht, vor seiner Schuld zu fliehen. Doch die Musik war verstummt, und um ihn herum war die Dunkelheit dichter geworden und hatte ihn auf den Steg hinausgeschoben. Die Kälte war in ihn hineingekrochen, und über ihm hatte sich mächtig und anklagend der Sternenhimmel gewölbt. Die eiskalten Sternenaugen sahen ihn an, und im Mondlicht war ihre Haut blendend weiß gewesen. Er hatte sie berühren und ihren schönen Hals küssen wollen. Sandra Hägg. So stand es auf dem Türschild.
Er war besessen davon gewesen, sie zu streicheln. Aber sie hatte Angst bekommen und war einen Schritt zurückgetreten. Er war ihr gefolgt. Hatte nach ihr gegriffen, doch sie hatte noch einen Schritt zurück gemacht und war in das schwarze Wasser gefallen, wie in ein offenes Grab. Salzwasser spritzte über ihr Gesicht, und das knirschende Geräusch, als ihr Schädel am Stein zerbarst, verfolgte ihn noch immer. Minute um Minute der Stille, als ihr Körper auf dem Meeresgrund ruhte. Als er begriff, dass sie
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