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Das Geheimnis der toten Vögel

Das Geheimnis der toten Vögel

Titel: Das Geheimnis der toten Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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mit den schwarzen kurzen Haaren und dem Lächeln, das alle zum Schmelzen brachte. Sie selbst war wie verzaubert gewesen und hatte den Blick nicht von ihr abwenden können. Es war nicht nur das Lächeln, es war ihre ganze Art, sich zu bewegen. Sie strahlte Selbstvertrauen, Sensibilität und Lebensfreude aus. Florian war nicht unbeeindruckt geblieben. Es war einfach geschehen. Direkt vor ihren Augen, und sie hatte keine Macht gehabt, etwas dagegen zu tun.
     
    Yrsa goss sich noch einen Becher Kaffee ein. Er hatte eine Weile auf der Kochplatte gestanden und hatte einen strengen Nachgeschmack. Sie setzte sich an den Küchentisch, stand aber schnell wieder auf, sie konnte keine Ruhe finden. Also nahm sie den Kaffeebecher und ging ins Wohnzimmer. Suchte in den Schubladen nach Fotos und fand ein Porträt von Florian. Er lächelte in die Kamera und entblößte dabei seinen Goldzahn. Sie hatte immer gefunden, dass er ihm etwas Freches verlieh. Als sie das Bild sah, überfiel die Sorge sie wieder wie ein Faustschlag in den Magen. Florian, wo bist du? Sie warf das Foto von sich, mochte es nicht sehen.
     
    Der Bildschirm und die Tastatur waren noch da. Deshalb hatte sie nicht gemerkt, dass der Computer verschwunden war. Und in diesem Moment tauchte eine Erinnerung auf. Vorige Woche hatte Florian am Computer gesessen, und als sie ins Zimmer gekommen war, genau wie sie es jetzt tat, hatte er das Programm gewechselt. Sie hatte probiert, aus dem Raum zu gehen und schnell wieder zurückzukommen. Da war dasselbe geschehen. Er wechselte das Programm. »Wem schreibst du?«, hatte sie gefragt, und er hatte ausweichend etwas von Arbeit und Schweigepflicht gemurmelt.
     
    Sandra Hägg. Sie waren sich das erste Mal bei Florians Schwester begegnet. Ebba arbeitete im Krankenhaus und hatte anlässlich ihres vierzigsten Geburtstages ihre Arbeitskollegen nach Hause eingeladen. Yrsa hatte ihr bei dem Büfett geholfen. Ebba war nicht sehr häuslich und hatte erwogen, eine Cateringfirma zu beauftragen, aber Yrsa war hartnäckig geblieben. Das sei doch unnötig teuer, hatte sie gesagt. Etwas Quiche, kalter Braten und ein großer Salat, das sei doch kein großes Problem.
     
    Natürlich war viel über Krankenpflege und andere Intimitäten geredet worden – Gesprächsthemen, die Menschen ohne Bezug zu diesem Beruf bei Tisch meiden würden. Doch schon bald erreichte die Diskussion derartige intellektuelle Höhen, dass nur noch Sandra und Florian den Mund aufmachten. Die hatten umso mehr zu sagen, und die anderen lauschten geduldig, auch wenn sie längst nicht alles über Impfstoffherstellung, Randomisierung, Ratifizierung und Weltpatente begriffen. Yrsa war es ziemlich schnell leid gewesen und hatte sich in die Küche zu Ebba geflüchtet.
     
    »Wer ist denn diese Dunkelhaarige, mit der Florian redet?« Ebba, die aus Nervosität vor dem Fest etwas zu viel Wein getrunken hatte, redete tief aus dem Bauch, wie ein Orakel, mit künstlicher Geisterstimme. »Das ist Kassandra, der der Gott Apollo die Gabe verlieh, in die Zukunft zu schauen – allerdings unter der Bedingung, dass sie seine Frau würde. Sie nahm die Sehergabe an, wollte Apollo aber nicht in ihrem Bett haben, und deshalb strafte er sie mit einem schrecklichen Fluch.« Ebba hatte genickt und den Mund zusammengekniffen, um besonders geheimnisvoll zu wirken. »Was für ein Fluch?«, hatte Yrsa gefragt. »Der Fluch ist, dass niemand ihre Weissagungen glaubt. So lautet die Geschichte von Kassandra. Niemand glaubt ihr, außer vielleicht Florian, den sie völlig in ihrer Gewalt hat, die Hexe. Nein, mein Liebes, keine Sorge. Er liebt dich, ich weiß, dass er das tut, und er würde dich nicht einmal gegen eine Nacht mit Cindy Crawford tauschen. Sandra ist mit Vorsicht zu genießen. Sie ist eine richtige Spökenkiekerin, die überall Gefahren und böse Zeichen sieht. Beim Jahrtausendwechsel brachte sie die ganze Abteilung dazu, Jodtabletten zu hamstern, falls es versehentlich eine Kernwaffendetonation geben würde. Dann hat sie uns mit dem Ebolavirus und multiresistenter Tbc Angst gemacht, und jetzt ist es die Vogelgrippe. Vogelgrippe, pah! Womit sie wohl als Nächstes kommt? Heuschrecken und Weltuntergang?«
     
    Als Yrsa den anderen Gästen Bescheid geben wollte, dass das Kuchenbüfett in der Küche eröffnet sei, bemerkte sie, dass die Gäste die Verandatür aufgemacht und sich im Garten zerstreut hatten. Sie rief ihnen zu, dass der Kaffee fertig sei, und bald hatten sich alle ein Stück Kuchen

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