Das Geheimnis der toten Vögel
Ambulanzen bewacht werden mussten. Für Maria als Ermittlerin würde das keinen großen Unterschied bedeuten, aber die Situation war beängstigend und die Arbeitsverteilung unklar. Die beiden großen Fragen, für die es noch keine Lösung gab, waren, wer das bezahlen sollte und wer die Verantwortung übernehmen würde.
Als Maria nach ihrer Jacke griff, hörte sie Hartman mit jemandem am Telefon Englisch reden. Er war nicht gerade sprachbegabt. Wenn man mit falscher Satzmelodie und starkem gotländischen Akzent über richtig ernste Dinge redete, dann wirkte das leicht komisch. Hartman war in Martebo aufgewachsen, und trotz der vielen Jahre auf dem Festland war der Dialekt immer noch da. Maria versuchte nicht zu lachen – das, worüber da geredet wurde, war wirklich nicht zum Scherzen. Er gab wirklich sein Bestes und setzte voraus, dass alle anderen das auch taten. Er war großzügig, bis an die Grenze zur Naivität, und vielleicht war genau das der Grund, dass er oft Erfolg hatte, wo andere scheiterten. Der grundehrliche gute Wille schien immer durch, und die Menschen wagten es, sich ihm anzuvertrauen.
»Sergej Bykov«, buchstabierte Hartman mit viel Mühe. Einen Moment später stand er in der Tür, mit Schweiß auf der Stirn und großen feuchten Flecken unter den Armen von der Anstrengung, Englisch zu reden, aber voller Enthusiasmus.
»Der Bilderverkäufer hat einen Namen bekommen. Wir haben es über die Narbe versucht. Sie ist bei einem Raubüberfall entstanden. Er heißt Sergej Bykov und kommt aus Weißrussland. Seine Frau hat angegeben, er habe nur eine kurze Fahrt nach Schweden unternehmen wollen, um Bilder zu verkaufen, und sie habe ihn am Sonntag, den 1. Juli, zurückerwartet. Ihre Geschichte ist so traurig, dass man davon einen Kloß im Hals bekommt. Sergejs Sohn ist nierenkrank, und er sollte eine Niere von seinem Vater bekommen, aber die Operation kostet Geld, und es fehlte noch ein Tausender. Das Geld wollte Sergej in letzter Minute beschaffen, indem er seine Bilder verkaufte. Die Operation war für Montag angesetzt, aber Sergej kam nicht.«
»Wissen wir mehr von ihm? Wo wohnte er? Was war sein Beruf?« Maria hängte die Jacke zurück. Das hier war ein Durchbruch, der ohne Zweifel viele unmittelbare Maßnahmen und Überstunden erforderte. Sie musste zu Hause bei Marianne Hartman anrufen, ob sie sich noch eine Weile länger um Linda und Malte kümmern konnte.
»Sergej stammte aus Bjaroza. Das liegt in Weißrussland, südwestlich von Minsk. Er züchtete dort Labormäuse und Meerschweinchen und andere Versuchstiere für die Labore der Pharmaindustrie. Der Konzern heißt Desponia, und die Pharmaindustrie ist ein Teil davon, außerdem gibt es noch eine Entwicklungsabteilung für ein System zur Lebensmittel-und Warentransportmarkierung sowie ein Institut für verjüngende Chirurgie. Soweit ich es verstanden habe, betreibt der Konzern sogar Kliniken für übergewichtige Europäer und Amerikaner. Der Hauptfirmensitz ist in Montreal, es gibt aber Niederlassungen in der ganzen westlichen Welt. Wenn du bei den nächsten Nachrichten auf die Börsennotierungen achtest, dann wirst du sehen, dass es ein erfolgreicher Konzern ist.«
»Und was passiert jetzt mit Sergejs Sohn?« Maria konnte nicht umhin, diese Frage zu stellen, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte.
»Er ist sehr schwer krank. Ich weiß nicht, wie die allgemeine Krankenversorgung in Weißrussland aussieht. Sie hatten Geld gespart, um die Operation in der Privatklinik durchführen zu lassen, die zu dem Betrieb gehört, bei dem Sergej gearbeitet hat. Man kann nur hoffen, dass sie dem Jungen helfen können und einen anderen Spender finden.«
»Das Geld, das sie für die Operation vorgesehen hatten, werden sie jetzt, wenn Sergej sie nicht länger versorgt, vielleicht für den Kauf von Lebensmitteln verwenden müssen.«
Maria schloss einen Moment die Augen und dachte daran, wie sie sich kürzlich im Pausenraum bei Mårtensson darüber beklagt hatte, dass sie es sich nicht leisten konnte, ein Haus zu kaufen.
Sie rief zu Hause an, und Linda ging ran.
»Du darfst noch nicht kommen, denn wir zelten heute. Wir dürfen im Garten im Zelt schlafen, das hat Marianne uns versprochen. Das ist supergemütlich, und Marianne wird auch im Zelt schlafen und aufpassen, dass keine Gespenster kommen.«
»Kann ich sie mal sprechen?« Maria wartete und hörte, wie Linda die Treppe zur anderen Wohnung
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