Das Geheimnis der toten Vögel
hinunterlief.
»Na ja, ich dachte mir, dass du vielleicht gern mal einen Abend für dich hättest. Tomas wird bald zu Hause sein, und die Kinder wollten so gern zelten, also, wenn es für dich in Ordnung ist, dann reicht es, wenn Aschenputtel den Ball um Mitternacht verlässt«, lachte sie.
»Ehrlich gesagt bin ich ein wenig überrumpelt. Was sagt denn Maltes Vater dazu? Ich werde erst Jonatan Eriksson anrufen und ihn fragen müssen.«
»Er war heute hier, und eigentlich war es seine Idee.«
Zwei Stunden später saßen Jonatan und Maria in einem mittelalterlichen Keller an der Klosterruine von St. Nikolai. Das Restaurant bot gebratenes Lamm, Ofenkartoffeln, Erdbeersalsa, Kichererbseneintopf und viele andere leckere Speisen.
»Also haben sie dich aus dem Krankenhaus gelassen?«, fragte Maria.
»Die Untersuchung hat gezeigt, dass ich keine Infektion mit mir herumtrage. Man kann das Personal nicht wie Geiseln halten. Und wenn wir uns nicht auf die Schutzausrüstung verlassen könnten, dann würde sich niemand trauen zu arbeiten.«
Erst hatten sie vorgehabt, sich in den schönen Garten unter einen gigantischen Walnussbaum zu setzen, aber es war ein wenig kühl, deshalb hatten sie sich entschieden, in den Keller hinunterzugehen, in dem früher einmal die Mönche gewohnt hatten, die beim Bau des Klosters geholfen hatten.
Sie setzten sich an den langen Tisch und bestellten jeder ein Bier, das in einem Tonkrug serviert wurde. Die vielen Kerzen in den Wandhaltern und die Öllampen auf den Tischen verbreiteten ein warmes Licht und spiegelten sich wie kleine weiße Fackeln in Jonatans Brille. Sie sprachen eine kleine Weile über die Kinder, bis Maria das Gefühl hatte, sie könne es wagen, nach Nina zu fragen.
»Weißt du, es ist so komisch, ihre Alkoholsucht nicht verheimlichen zu müssen, nachdem ich mich so viele Jahre lang mit Unwahrheiten und Ausflüchten umgeben habe. Nina liegt immer noch im Krankenhaus. Sie hat eine Lungenentzündung. Sie hatte sich übergeben und das Erbrochene in die Lungen hinuntergezogen, als sie auf dem Rücken lag. Sie hätte tot sein können.«
»Wie furchtbar.« Maria sah den Schmerz in seinem Gesicht. Eine Zeitlang sagte er nichts, sondern sah sie nur mit unergründlichem Blick an. Maria hatte das Gefühl, beurteilt zu werden. Hätte sie etwas anderes sagen sollen? Mehr fragen oder still sein sollen? Sie wünschte, er würde sich ihr anvertrauen.
»Für Malte ist es am schlimmsten. Es tut mir so weh und macht mich so wütend. Er glaubt, dass eine Mutter so sein müsse. Er hat ja keinen Vergleich. Es ist normal, eine Mutter zu haben, die den halben Tag im Bett liegt und dann plötzlich von den Toten aufersteht und Wasserlandschaften und Rutschbahnen und Computerspiele und neue Spielsachen verspricht, und dann wird wieder nichts aus all dem, was sie versprochen hat. Ein paar Stunden später schlägt es um. Sie ist auf Entzug und wird wütend und schnauzt ihn an, und alles, was er macht, ist falsch. Wenn sie Arbeit hätte, wäre es vielleicht anders, aber so ist es nun einmal nicht.« Jonatan holte tief Luft und biss die Zähne zusammen. Maria legte ihre Hand auf seine. Auch jetzt sagte sie nichts. Sie konnte keine passenden Worte finden.
Am anderen Ende des langen Tisches ließ sich ein Pärchen nieder. Die beiden küssten sich, und ihre Hände suchten einander unter dem Tisch. Ihre Wangen glühten, die Augen glänzten, und sie sahen nur einander. Jonatan musste lächeln. »Schon ganz schön lange her, seit ich so dasaß und …« Er legte seine andere Hand auf Marias, und sie zog ihre nicht weg. Er sah ihr ernst in die Augen. »Es hätte eine Erleichterung für mich sein können, wenn Nina gestorben wäre. Ich weiß, dass du findest, ich sollte das nicht sagen. Ich sollte das nicht fühlen. Aber das tue ich. Sie hat mir das Leben zur Hölle gemacht, und ich würde keine Minute länger bei ihr bleiben, wenn ich nicht Angst hätte, das alleinige Sorgerecht für Malte nicht zu bekommen.«
»Sie braucht Hilfe.«
»Sie will keine Hilfe. Ihrer Meinung nach hat sie keine Probleme. Es ist sozusagen mein Problem. Ich habe sie im Stich gelassen, deshalb muss sie sich sinnlos betrinken. Außerdem gibt es auf Gotland keine Klinik dafür. Die nächste ist Runnagården in Örebro. Ich habe versucht, mit ihr zu reden, aber sie weigert sich zuzuhören. Wenn sie zwangsweise eingewiesen würde, dann wäre das eine Tatsache, die mir im
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