Das Geheimnis der toten Vögel
Sorgerechtsstreit einen Vorteil verschaffen würde. Sie würde nicht verstehen, dass ich ihr helfen will, und sie will mir keinen Trumpf in die Hand geben. Wir sind in einen Stellungskrieg geraten, in dem jeder Schachzug strategisch begründet ist. Wir verletzen einander wissentlich, obwohl das keiner von uns möchte. Ich weiß, das klingt krank, aber so ist es.«
»Inwiefern hast du sie im Stich gelassen?«
Jonatan seufzte tief, ließ Marias Hand los und lehnte sich zurück, als bräuchte er Distanz, um klar denken zu können.
»Ich habe sie betrogen. Vor ein paar Jahren, als wir mit der Infektionsklinik auf einer Fortbildung auf dem Festland waren. Ein einziges Mal ist es passiert. Nina und ich hatten über zwei Jahre lang keinen Sex gehabt. Ich kann nicht anders, aber es ekelt mich an, dass sie sich erst betrinken muss, um Lust zu haben. Dann will ich sie nicht, und so wird es nie etwas. Von einer Freundin, die es von einer anderen Freundin hatte, hat sie erfahren, dass ich sie betrogen habe. Ich war so feige zu behaupten, dass wir nur im Hotelzimmer gesessen und geredet hätten. Aber es war mehr als das – es war nicht vorhergesehen, nicht geplant. Wir waren beide ausgehungert. Das merkte man schon, als wir tanzten. Wir konnten gar nicht genug voneinander bekommen, und die anderen fingen schon an, ihre Kommentare abzugeben, also beschlossen wir, auf meinem Zimmer einen Drink zu nehmen, und dann … Ehrlich gesagt würde ich es ohne Zögern wieder tun. Das war es wert.«
»Seht ihr euch immer noch?« Maria musste das fragen, obwohl es sie eigentlich nichts anging. Überhaupt nichts. Und doch wollte sie es wissen. Es lag sozusagen in der Luft, das aufkeimende Gefühl, dass etwas passieren würde. Maria wischte den Gedanken beiseite. Er war schließlich verheiratet! Und sie sollte es ja wohl besser wissen, als sich von einem Mann täuschen zu lassen, der eben zugegeben hatte, dass er untreu gewesen war, weil seine Frau ihn nicht verstand. Intelligente Frauen fielen auf solche einfachen Finten nicht herein. »Triffst du dich immer noch mit der Frau?«
»Nein, wir haben gar keinen Kontakt mehr. Sie wollte nicht. Vorher war nichts zwischen uns, wir waren nur Arbeitskollegen, und hinterher war auch nichts. Es war nur damals, in dem Moment, und ich möchte dieses Erlebnis nicht missen. Findest du mich schlimm?«
»Nein.« Was sollte sie sonst sagen, wenn er sich so verletzlich machte? Das Leben war nicht immer so, wie man es sich wünschte. Nur selten fanden sich einfache Antworten auf schwierige Fragen, und wer hatte das Recht, einen anderen zu verurteilen, der sich nach Liebe sehnte und das nahm, was sich ihm bot?
»Wie ist es denn bei dir? Gibt es einen Mann in deinem Leben?« Er sah sie belustigt an, als er merkte, dass die Frage sie ein wenig genierte.
Maria nahm einen Schluck Bier und dachte nach. Es wäre so einfach zu sagen: Ja, er heißt Emil und ist zehn Jahre alt. »Es gab jemanden, aber es ist nichts daraus geworden. Er konnte nicht warten, und dann … dann passierte etwas. Er bat mich um eine vertrauliche Information über eine laufende Ermittlung, aber ich weigerte mich, und seither haben wir uns nicht mehr gesehen. Er hieß Per.«
»Aber du denkst an ihn, oder? Er bedeutet dir immer noch viel.« Jonatan lächelte, kniff ein Auge zu und sah sie listig an. »Oder täusche ich mich?«
»Ja, aber ich habe mich entschieden, ihn zu vergessen. Es bringt ja nichts. Er wird nicht zurückkommen.« Maria stand auf und ging zur Toilette. Sie wärmte sich die Hände ein wenig am Feuer, und als sie zurückkam, war die vertrauliche Stimmung gebrochen. Es hatte sich noch eine Gruppe am langen Tisch niedergelassen, und der Geräuschpegel war gestiegen.
»Weißt du, was ich gerade gedacht habe?«, sagte er, als sie sich wieder gesetzt hatte. »Diese Brieftaube, die in den Taubenschlag von Ruben Nilsson gekommen ist, hatte das Vogelgrippevirus in mutierter Form, und sie kam aus Weißrussland. Zuvor ist die Vogelgrippe nur von Hühnervögeln verbreitet worden und nicht von Tauben. Ich glaube, dass jemand sie präpariert, also absichtlich infiziert haben könnte. Verstehst du, worauf ich hinauswill? Bevor wir uns eben getroffen haben, habe ich in den Nachrichten gehört, dass der Tote, der in Klintehamn gefunden worden ist, aus Weißrussland stammte. Ist das nicht seltsam?«
»Ich wusste gar nicht, dass Ruben Nilsson von einer Taube angesteckt wurde. Ich dachte,
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