Das Geheimnis der toten Voegel
Maria hielt inne und wartete auf seine Antwort.
»Ja, es war so, und da fragt man sich natürlich, wie das möglich ist.«
»Was glaubst du?«, fragte Maria und beugte sich vor, um seine Antwort zu hören. Er küsste sie rasch auf die Wange und lächelte sie frech an, als sie ihn mit ernst zusammengezogenen Augenbrauen ansah.
»Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder hat er die Krankheit schon einmal gehabt, oder er war bereits geimpft, als er dem Virus ausgesetzt wurde.«
»Das Seltsame ist, dass der Bilderverkäufer auch Antikörper hatte«, sagte Maria. »Was sollen wir davon halten?«
35
Um vier Uhr dreiundzwanzig erwachte Maria von einem harten Rums auf der Treppe, der von einer längeren Serie ähnlicher, wenn auch etwas leiserer Schläge gefolgt wurde. Hartmans Katze. Sie versuchte, das Tier zu verscheuchen, aber es jammerte aufdringlich stur. Maria kriegte es im Dunkeln zu fassen, trug es die Treppe hinunter und schloss die Tür. Dann fiel sie in einen oberflächlichen Schlaf, in dem sie in einem großen Haus mit endlosen Fluren nach Emil suchte. Die Zimmer hallten leer. Er war nirgends zu finden. Wie zufällig sah sie einen Schatten von ihm durch ein Fenster, er winkte, auf dem Weg zur Schule … auf dem Weg in die Ewigkeit. Sein Lächeln brachte sie zum Weinen. Ich werde heute bei Sebastian sein.
Als der Wecker eine knappe Stunde später klingelte, hatte sie die Katze schon vergessen. Schnell richtete sie sich auf und schob die Beine über die Bettkante, um nicht noch einmal einzuschlafen, und trat auf etwas Weiches und Feuchtes. Als sie das Licht anmachte, musste sie feststellen, dass es eine tote Möwe war. Der Kopf war abgebissen und die Federn zerzaust und blutig. Ihr Schrei weckte Linda, die anfing zu weinen, und Hartman kam im Schlafanzug angelaufen, um zu sehen, was passiert war.
»Das muss die Katze gewesen sein, sie war heute Nacht hier oben.« Maria zupfte die Daunen von ihrer blutigen Fußsohle. Die Aufforderungen der letzten Wochen, sich beim Landesveterinär zu melden, sobald man tote Vögel fände, rauschten wie eine verschwommene Ermahnung an ihr vorbei.
Noch in dieser Stimmung traf Maria um acht Uhr an ihrem Arbeitsplatz ein, um Hans Moberg zu verhören – auch er ein fremder Vogel, den das Leben zerzaust hatte, musste sie denken, als sie seine bedauernswerte Gestalt erblickte. Seine Augen konnten das Tageslicht nur schwer ertragen. Es fiel ihm offensichtlich schwer, sie offen zu halten, ohne dass sie tränten. Die Kleider waren schmutzig und zerknittert, und er roch furchtbar. Maria ließ die Jalousie herunter und nickte Hartman zu, damit er das Tonband einschaltete. Nach einigen einleitenden Fragen hatte Maria vor, das Gespräch auf die Mordnacht zu bringen, wurde aber unterbrochen.
»Es ist nicht verboten, übers Internet Medikamente zu verkaufen. Da gibt es Urteile, wenn Sie sich die Mühe machen und den Telefonhörer in die Hand nehmen würden. Ich bin sauber. Und wer behauptet, von meinem die Immunabwehr stärkenden Elixier, das ich unter dem Namen Teriak verkaufe, krank geworden zu sein, der lügt. Ich habe es selbst gebraut und weiß, was es enthält. Nur biologisch gezüchtete Heilpflanzen, Aloe Vera, Minze, Rotklee, Kornblume und Ringelblume, die mit Blättern der Schwarzen Johannisbeere in Sesamöl gezogen haben. Es gibt nichts Gesünderes. Wenn jemand sich beklagt hat, dass es zu teuer ist, dann ist das nur, weil die nicht begreifen, wie viel Zeit es kostet, die Blumen zu pflücken und zu trocknen. Kann ich jetzt gehen? Ich fühle mich hier so eingesperrt, ich leide unter Klaustrophobie. Mein Arzt sagt, ich kann Herzrhythmusstörungen davon bekommen, wenn ich mich so aufrege, und das hat einen negativen Einfluss auf den Blutdruck und meine Cortisol- und Cholesterinwerte. Ich kann einen Herzkasper kriegen. Wollen Sie das Risiko eingehen?«
»Wir wollen gar nicht über Ihren Medikamentenverkauf reden, ich glaube, das ist Ihnen klar. Zunächst einmal waren Sie gestern bewiesenermaßen betrunken am Steuer. Die Atemprobe zeigte 1,6 mg Alkohol pro Liter Ausatemluft, was 3,6 Promille entspricht, wo wir gerade von Gesundheitsrisiken sprechen. Aber auch darüber müssen wir jetzt gar nicht so viel reden. Die Frage, die ich Ihnen stellen will, lautet: Woher kannten Sie Sandra Hägg?«
»Ich treffe so viele Frauen, es ist wirklich zu viel verlangt, das noch zu wissen …«
»Sie haben sicherlich in der Zeitung gelesen, dass sie ermordet wurde. Das kann Ihnen wohl kaum entgangen
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