Das Geheimnis der toten Voegel
können, ist, bei den anderen um Hilfe zu betteln, und zwar diskret. Wenn das an die Presse durchsickert, bricht die Panik aus. Können Sie sich vorstellen, wie es dann zugeht, was die Angst mit den Menschen machen kann, welcher Druck auf die Behörden ausgeübt werden wird, wenn mehrere tausend Menschen gleichzeitig anrufen oder ins Krankenhaus kommen und eine Behandlung einfordern? Der Generaldirektor des Gesundheitsamtes hat sich heute mit der strengen Direktive an die Apotheken gewandt, dass nur Infektionsärzte Tamiflu verschreiben dürfen. Das hätte schon längst geschehen müssen. Zu allem Übel sind viele Ärzte sehr flott mit ihrem Rezeptblock gewesen, sobald die Nachricht an die Öffentlichkeit kam. Ich habe jemanden darauf angesetzt, die Rezepte durchzusehen und diejenigen Medikamente zurückzurufen, die nicht medizinisch motiviert ausgegeben wurden. Das neue System, nach dem die Apotheke die Ausgabe der Medikamente registrieren muss, ist gar nicht so dumm.«
»Wann wissen wir mit Sicherheit, dass es sich um Vogelgrippe handelt, wann können wir die Antwort vom Labor haben?«
»Normalerweise dauert es zwei bis drei Tage, herauszufinden, um welche Form der Grippe es sich handelt, und eine Resistenzbestimmung zu machen, aber es kann sein, dass es in diesem Fall schneller geht. Der Staatsepidemiologe hat zusätzliches Personal angefordert. Vielleicht kriegen wir schon heute Abend eine Antwort. Die Sache hat oberste Priorität, und sie tun ihr Möglichstes. Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich das Ergebnis habe.«
»Was soll ich den Eltern sagen? Ich muss denen einen klaren Bescheid geben können, wenn sie mich fragen, ob die Kinder im Fußballcamp eine Behandlung erhalten.«
»Sagen Sie ihnen, dass die Kinder Medikamente bekommen. Wir verteilen das, was wir haben, solange es reicht. Das Wichtigste ist, dass sie ruhig bleiben. Im Übrigen müssen wir, bis das Gegenteil bewiesen ist, uns so verhalten, als ob wir es mit Vogelgrippe zu tun hätten. Das ist meine Auffassung. Es ist schwer genug, die unter Beobachtung stehenden Patienten dazu zu bringen, eingesperrt zu bleiben. Wir müssen die Sache konsequent durchziehen.«
Er hörte, wie sie schluckte und dann noch einmal Anlauf nahm. »Nur zu Ihrer Information, Herr Eriksson, ich habe auch die Unterstützung der Polizei angefordert. Die Umgebung um die Klinte-Schule muss abgesperrt werden, und die Kinovorstellungen in der Aula der Schule werden eingestellt. Ich will nicht riskieren, dass Eltern kommen, um ihre Kinder zu holen. Wenn Sie selbst Kinder haben, dann verstehen Sie, was ich meine. Machen Sie sich das mal klar: Wir haben nicht genug Medikamente für die ganze Bevölkerung. Hier kann es um Zehntausende Tote gehen.«
»Und wenn sich nun herausstellt, dass es nicht die Vogelgrippe ist?« Jonatan konnte sich einfach nicht verkneifen, diese Frage zu stellen.
»Dann vermache ich meinen Körper der Forschung und meine Seele der Sektion durch die Medien, und Sie erben meinen Stuhl. Ehrlich gesagt, was sollte es sonst sein? Der alte Mann mit den Brieftauben ist an unbekannter Ursache gestorben. Ein allererstes Obduktionsergebnis müsste bald kommen. Berit Hoas ist gestorben, und es war ein Grippevirus. Wir wissen noch nicht, von welchem Typ, aber eine gewöhnliche Grippe pflegt nicht so aggressiv zu sein. Ehe sie infiziert wurde, war sie im Großen und Ganzen gesund. Auch Petter Cederroth hat das Grippevirus. Wir wissen noch nicht, welchen Typ. Aber wir sollten trotzdem nicht warten. Sie können anfangen, ihn mit Tamiflu zu behandeln, wenn Sie es nicht schon getan haben. Ich habe gehört, dass es ihm gar nicht gut geht. Seine Frau hat, wenn ich richtig informiert bin, leicht steigende Temperatur und Halsschmerzen. Wir warten momentan auf den Bescheid, ob es H 5 N 1 ist. Sie erfahren es auch gleich, wenn Sie da draußen in der Pampa Ihren Computer in Gang gekriegt haben.«
Jonatan öffnete das Fenster und ließ die Düfte des Sommers herein. Es war drückend heiß im Zimmer, er stellte sich in den Luftzug und atmete den Duft von Kiefernwald ein. Der Schweiß perlte auf seiner Stirn, und die Kleider klebten am Körper. Fühlte sich sein Hals ein wenig rau an? Etwas fiebrig? War da nicht ein Widerstand, wenn er schluckte? Hoffentlich nur Einbildung – eine mentale Grippe. Aber dennoch, das Risiko war da. Mit einer Inkubationszeit von ein bis drei Tagen konnte es immer noch aufblühen. Was würde dann aus Malte und Nina werden? Das machte ihm schon so
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