Das Geheimnis der toten Voegel
heimgesucht werden?
Die vorhandenen Medikamente würden nicht ausreichen. Nun konnte man nur noch das Ausland um Hilfe bitten. Hier ging es schließlich um Leben und Tod. Das Beste wäre es natürlich, wenn man nicht auf Internethändler zurückgreifen müsste, sondern trotz früherer abschlägiger Bescheide das Präparat auf dem herkömmlichen Wege bekommen könnte. Vielleicht würde es funktionieren, wenn man an die Öffentlichkeit ging und es gleichzeitig noch einmal beim Pharmakonzern versuchte. Wenn man Glück hätte, bewirkte das etwas – PR und Goodwill gegen Medikamente.
Momentan bereiteten Jonatan die dreißigjährige Trainerin des Fußballcamps, Jenny Eklund, und die beiden zehnjährigen Jungen am meisten Sorgen, die gestern erkrankt und mit Fieber und Grippesymptomen in das alte Sanatorium in Follingbo gebracht worden waren. Die Frau hatte zwei kleine Kinder von zwei und drei Jahren zu Hause, und ihr Lebensgefährte Mats Eklund war völlig aufgelöst. Er hatte nach eigenen Angaben schon eine Anklage gegen die Sozialverwaltung verfasst und beabsichtigte, an die Presse zu gehen, wenn er nicht die volle Garantie erhielt, dass seine Frau lebend wieder nach Hause kam.
Jonatan hatte geduldig zugehört. Nach und nach war herausgekommen, dass Mats Eklund und seine Frau gestritten hatten, dass Jenny ihm nicht verziehen hatte und dass er sowieso noch unter Schock stand, seit er in Värsände einen Toten gefunden hatte – all das in einem unzusammenhängenden Fluss. Wahrscheinlich war Eklund nicht ganz nüchtern. Jonatan hatte ihn reden lassen, ohne eigentlich etwas zu der Sache sagen zu können. Dann war das Ganze nach und nach abgeebbt, und es war eine Erleichterung gewesen, das Gespräch abzuschließen und sich wieder den Patienten widmen zu können.
Der Junge, der Emil hieß, war Malte so ähnlich. Dieselben Haare, derselbe Körperbau, und auch das Lächeln war fast dasselbe. Ein tougher kleiner Junge, ja, der andere auch, der Sebastian hieß, aber mit Emil hatte es etwas Besonderes auf sich. Er besaß so einen befreienden Humor und großes Vertrauen. Bisher waren die Symptome nicht stark, nur leichtes Fieber und Gliederschmerzen. Die Eltern der beiden Jungen waren informiert worden und verlangten, ihre Kinder umgehend zu sehen. Maria Wern sei über den Grund der Verlegung unterrichtet worden und sei sehr mitgenommen, sagte die Schwester.
Jonatan war die Aufgabe zugefallen, das folgende Gespräch zu übernehmen. Sie würde jeden Moment hier sein. Jonatan duschte schnell und wechselte das Hemd. Dann brauchte er einen Augenblick Zeit, um in aller Ruhe mit Schwester Agneta zu sprechen. Sie war alleinstehend mit drei kleinen Kindern, der Mann war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und seit sie den Bescheid bekommen hatte, war sie völlig durcheinander.
»Wie geht es Ihnen, Schwester Agneta? Möchten Sie darüber sprechen?« Er hatte nicht viel Zeit, aber ein paar Minuten musste er sich nehmen.
»Aber Herr Dr. Eriksson, haben Sie nicht die Ergebnisse aus dem Viruslabor gesehen? Schauen Sie sich mal die Resistenzbestimmung an! Tamiflu ist wirkungslos! Sehen Sie hier – resistent.« Agnetas Augen waren groß und schwarz, und plötzlich begann sie hinter der Maske zu weinen: Er legte den Arm um sie und zog sie an sich, und im selben Moment klingelte das Telefon. Es war Åsa Gahnström.
»Ich vermute, dass Sie gerade dieselbe Information erhalten haben wie ich, und natürlich müssen wir den Deckel draufhalten. Wenn es sich rumspricht, dass wir kein wirkungsvolles Medikament haben, dann haben wir eine Albtraumsituation, wie sie sich keiner von uns vorstellen kann.«
»Haben wir die nicht jetzt schon? Ja, ich hatte schon den Verdacht, dass die Medikamente vielleicht nicht helfen. Sie haben den Verlauf bei keinem der Patienten, die ich behandelt habe, gebremst, außer vielleicht bei dem Taxifahrer. Früher oder später wird das hier an die Öffentlichkeit dringen, und dann haben wir unser Vertrauen verspielt. Ich finde, wir sollten die Wahrheit sagen.«
»Mein Beschluss lautet, dass wir schweigen. Wenn Sie nur ein klein wenig Phantasie haben, dann können Sie sich die Panik vorstellen, die ein solcher Bescheid auslösen würde und welche Konsequenzen das hätte. Aber es gibt noch Hoffnung. Einige Pharmaproduzenten sind in ihrer Produktentwicklung antiviraler Mittel weit gediehen. Wir sind dabei zu untersuchen, ob es andere wirkungsvollere Präparate gibt. Bis dahin müssen wir versuchen
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