Das Geheimnis der toten Voegel
bedeutet dir immer noch viel.« Jonatan lächelte, kniff ein Auge zu und sah sie listig an. »Oder täusche ich mich?«
»Ja, aber ich habe mich entschieden, ihn zu vergessen. Es bringt ja nichts. Er wird nicht zurückkommen.« Maria stand auf und ging zur Toilette. Sie wärmte sich die Hände ein wenig am Feuer, und als sie zurückkam, war die vertrauliche Stimmung gebrochen. Es hatte sich noch eine Gruppe am langen Tisch niedergelassen, und der Geräuschpegel war gestiegen.
»Weißt du, was ich gerade gedacht habe?«, sagte er, als sie sich wieder gesetzt hatte. »Diese Brieftaube, die in den Taubenschlag von Ruben Nilsson gekommen ist, hatte das Vogelgrippevirus in mutierter Form, und sie kam aus Weißrussland. Zuvor ist die Vogelgrippe nur von Hühnervögeln verbreitet worden und nicht von Tauben. Ich glaube, dass jemand sie präpariert, also absichtlich infiziert haben könnte. Verstehst du, worauf ich hinauswill? Bevor wir uns eben getroffen haben, habe ich in den Nachrichten gehört, dass der Tote, der in Klintehamn gefunden worden ist, aus Weißrussland stammte. Ist das nicht seltsam?«
»Ich wusste gar nicht, dass Ruben Nilsson von einer Taube angesteckt wurde. Ich dachte, seine Vögel seien von Wildenten angesteckt worden. Woher weißt du, dass es eine Taube aus Weißrussland war?« Maria beugte sich vor, um besser hören zu können, und Jonatan berührte leicht ihre Wange, als er antwortete.
»Er hatte den Ring der Taube mit in die Bibliothek genommen und eine Bibliothekarin um Hilfe mit der Website des Brieftaubenzüchterverbands gebeten, um herauszukriegen, woher sie kam. Sie stammte aus Bjaroza in Weißrussland. Ihr solltet mal untersuchen, ob Sergej, oder wie er nun hieß, mit der Vogelgrippe infiziert war.«
»Ich glaube nicht, dass man das untersucht hat. Damals hat niemand an die Vogelgrippe gedacht, die Zeitungen waren voller Schreckensnachrichten über multiresistente Tbc und angesteckte Kindergartenkinder. So schützen Sie sich und Ihre Familie – die ganze Palette! Der Alarm mit der Vogelgrippe kam erst später.«
»Wenn ihr das wisst, dann würde ich es natürlich auch sehr gern erfahren. Vielleicht arbeiten wir ja am selben Puzzle, und da bringt es uns etwas, wenn wir die Teile des anderen sehen können. Bist du für die Ermittlungen um den Mord von Sandra Hägg zuständig?«
»Ja, weißt du etwas von ihr?« Maria sah die Veränderung in seinem Gesichtsausdruck, als sie die Frage stellte. Diese Sache war ihm wichtig.
»Sie hat lange bei uns in der Infektionsklinik gearbeitet.«
Ein Gedanke schoss Maria durch den Kopf. Sie spürte, dass Jonatan sie beobachtete, während sie ihn zu formulieren versuchte.
»Was ist denn?«, fragte er.
»Als du auf dieser Fortbildung warst, mit deiner Arbeit. Die Frau, mit der du eine Nacht verbracht hast. War das Sandra Hägg?«
»Nein, aber ich mochte sie sehr gern.«
»Kennst du einen Medizinjournalisten, der Florian Westberg heißt?«
»Ja, warum fragst du? Hat er was mit den Ermittlungen zu Sandra Häggs Ermordung zu tun? Du schaust so komisch, ihr glaubt doch wohl nicht, dass Florian … Weißt du, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er sie umgebracht haben könnte. Auf keinen Fall. Er trägt keine Aggression in sich. Wir waren zusammen beim Militär. Er konnte keine Befehle annehmen, wollte immer diskutieren und analysieren und argumentieren. Er hat den Oberst wahnsinnig gemacht, obwohl er einfach nur sanft und freundlich war. Wir nannten ihn den Hamster.«
»Warum denn das? Ich habe ein Foto von ihm gesehen, und er wirkt recht mager. Hat er militärische Ausrüstung gebunkert?«
»Nein, er kriegte Mumps. Das war eigentlich gar nicht witzig. Er war schwer krank, mit Hirnhautentzündung. Den Rest des Militärdienstes musste er nicht ableisten, aber ich hätte nicht mit ihm tauschen mögen. Als ich ihn im Krankenhaus besuchte, war seine Freundin gerade da. Yrsa hieß sie. Ich erinnere mich an sie. Sie war so eine Traumfrau mit langem blondem Haar und unschuldigen blauen Augen, nach der alle ganz verrückt waren. Süß, auf eine natürliche Weise – ungefähr so wie du.« Er lächelte, als er Marias Grimasse sah. Sie war wirklich nicht gut im Annehmen von Komplimenten. Sie brachen auf und gingen in den Garten hinaus, um sich die Feuerschlucker anzuschauen und der Musik der Gaukler zu lauschen. Das Portal zur Klosterruine von St. Nikolai stand halb offen. Sie ließen sich hineinziehen – zu dem überwältigenden Sonnenuntergang, der
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