Das Geheimnis der toten Voegel
dann wirst du sehen, dass es ein erfolgreicher Konzern ist.«
»Und was passiert jetzt mit Sergejs Sohn?« Maria konnte nicht umhin, diese Frage zu stellen, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte.
»Er ist sehr schwer krank. Ich weiß nicht, wie die allgemeine Krankenversorgung in Weißrussland aussieht. Sie hatten Geld gespart, um die Operation in der Privatklinik durchführen zu lassen, die zu dem Betrieb gehört, bei dem Sergej gearbeitet hat. Man kann nur hoffen, dass sie dem Jungen helfen können und einen anderen Spender finden.«
»Das Geld, das sie für die Operation vorgesehen hatten, werden sie jetzt, wenn Sergej sie nicht länger versorgt, vielleicht für den Kauf von Lebensmitteln verwenden müssen.«
Maria schloss einen Moment die Augen und dachte daran, wie sie sich kürzlich im Pausenraum bei Mårtensson darüber beklagt hatte, dass sie es sich nicht leisten konnte, ein Haus zu kaufen.
Sie rief zu Hause an, und Linda ging ran.
»Du darfst noch nicht kommen, denn wir zelten heute. Wir dürfen im Garten im Zelt schlafen, das hat Marianne uns versprochen. Das ist supergemütlich, und Marianne wird auch im Zelt schlafen und aufpassen, dass keine Gespenster kommen.«
»Kann ich sie mal sprechen?« Maria wartete und hörte, wie Linda die Treppe zur anderen Wohnung hinunterlief.
»Na ja, ich dachte mir, dass du vielleicht gern mal einen Abend für dich hättest. Tomas wird bald zu Hause sein, und die Kinder wollten so gern zelten, also, wenn es für dich in Ordnung ist, dann reicht es, wenn Aschenputtel den Ball um Mitternacht verlässt«, lachte sie.
»Ehrlich gesagt bin ich ein wenig überrumpelt. Was sagt denn Maltes Vater dazu? Ich werde erst Jonatan Eriksson anrufen und ihn fragen müssen.«
»Er war heute hier, und eigentlich war es seine Idee.«
Zwei Stunden später saßen Jonatan und Maria in einem mittelalterlichen Keller an der Klosterruine von St. Nikolai. Das Restaurant bot gebratenes Lamm, Ofenkartoffeln, Erdbeersalsa, Kichererbseneintopf und viele andere leckere Speisen.
»Also haben sie dich aus dem Krankenhaus gelassen?«, fragte Maria.
»Die Untersuchung hat gezeigt, dass ich keine Infektion mit mir herumtrage. Man kann das Personal nicht wie Geiseln halten. Und wenn wir uns nicht auf die Schutzausrüstung verlassen könnten, dann würde sich niemand trauen zu arbeiten.«
Erst hatten sie vorgehabt, sich in den schönen Garten unter einen gigantischen Walnussbaum zu setzen, aber es war ein wenig kühl, deshalb hatten sie sich entschieden, in den Keller hinunterzugehen, in dem früher einmal die Mönche gewohnt hatten, die beim Bau des Klosters geholfen hatten.
Sie setzten sich an den langen Tisch und bestellten jeder ein Bier, das in einem Tonkrug serviert wurde. Die vielen Kerzen in den Wandhaltern und die Öllampen auf den Tischen verbreiteten ein warmes Licht und spiegelten sich wie kleine weiße Fackeln in Jonatans Brille. Sie sprachen eine kleine Weile über die Kinder, bis Maria das Gefühl hatte, sie könne es wagen, nach Nina zu fragen.
»Weißt du, es ist so komisch, ihre Alkoholsucht nicht verheimlichen zu müssen, nachdem ich mich so viele Jahre lang mit Unwahrheiten und Ausflüchten umgeben habe. Nina liegt immer noch im Krankenhaus. Sie hat eine Lungenentzündung. Sie hatte sich übergeben und das Erbrochene in die Lungen hinuntergezogen, als sie auf dem Rücken lag. Sie hätte tot sein können.«
»Wie furchtbar.« Maria sah den Schmerz in seinem Gesicht. Eine Zeitlang sagte er nichts, sondern sah sie nur mit unergründlichem Blick an. Maria hatte das Gefühl, beurteilt zu werden. Hätte sie etwas anderes sagen sollen? Mehr fragen oder still sein sollen? Sie wünschte, er würde sich ihr anvertrauen.
»Für Malte ist es am schlimmsten. Es tut mir so weh und macht mich so wütend. Er glaubt, dass eine Mutter so sein müsse. Er hat ja keinen Vergleich. Es ist normal, eine Mutter zu haben, die den halben Tag im Bett liegt und dann plötzlich von den Toten aufersteht und Wasserlandschaften und Rutschbahnen und Computerspiele und neue Spielsachen verspricht, und dann wird wieder nichts aus all dem, was sie versprochen hat. Ein paar Stunden später schlägt es um. Sie ist auf Entzug und wird wütend und schnauzt ihn an, und alles, was er macht, ist falsch. Wenn sie Arbeit hätte, wäre es vielleicht anders, aber so ist es nun einmal nicht.« Jonatan holte tief Luft und biss die Zähne zusammen. Maria legte ihre Hand auf seine. Auch jetzt sagte sie nichts.
Weitere Kostenlose Bücher