Das Geheimnis der toten Voegel
sie unbedingt wissen wollte, woher er die Spritzen hatte. Warum war das nur so wichtig? In Wirklichkeit gab es ja keine Spritzen, aber wenn er seine Kontakte in Hongkong bearbeitete, dann war so etwas durchaus möglich. Eigentlich barg es ja kaum ein Risiko, Impfstoff zu verkaufen, der nicht vor Ablauf von drei Wochen Wirkung zeigen würde. Wenn die Sachen sich als wirkungslos erwiesen, würde er schon über alle Berge sein. Nicht so einfach war das mit Viagra, wo man einen unmittelbaren Effekt erwarten durfte.
Hans Moberg schlich sich draußen an der Hecke entlang zum Schuppen, in dem er sein Vogelnest untergestellt hatte. Irgendwo musste er doch noch einen Sechserpack Bier haben, sonst war das Leben nicht mehr lebenswert. Ein paar Bier und ein paar Stunden Ausruhen, dann würde er seine Situation in den Griff kriegen.
30
Maria bestellte einen Blumenstrauß, der an den Kollegen Ek im Sanatorium von Follingbo geschickt werden sollte, schaute auf die Uhr und loggte sich aus dem Computer aus. Sie war gerade von einer Informationssitzung gekommen, die wegen des Ausgangsverbots anberaumt worden war. Sämtlicher Urlaub war gesperrt worden, und obwohl man eine Zusammenarbeit mit der Bereitschaftspolizei und den Wachunternehmen vorbereitete, musste man mit Überstunden rechnen, wenn der Flughafen und die Häfen, aber auch Apotheken, Krankenhaus und Ambulanzen bewacht werden mussten. Für Maria als Ermittlerin würde das keinen großen Unterschied bedeuten, aber die Situation war beängstigend und die Arbeitsverteilung unklar. Die beiden großen Fragen, für die es noch keine Lösung gab, waren, wer das bezahlen sollte und wer die Verantwortung übernehmen würde.
Als Maria nach ihrer Jacke griff, hörte sie Hartman mit jemandem am Telefon Englisch reden. Er war nicht gerade sprachbegabt. Wenn man mit falscher Satzmelodie und starkem gotländischen Akzent über richtig ernste Dinge redete, dann wirkte das leicht komisch. Hartman war in Martebo aufgewachsen, und trotz der vielen Jahre auf dem Festland war der Dialekt immer noch da. Maria versuchte nicht zu lachen – das, worüber da geredet wurde, war wirklich nicht zum Scherzen. Er gab wirklich sein Bestes und setzte voraus, dass alle anderen das auch taten. Er war großzügig, bis an die Grenze zur Naivität, und vielleicht war genau das der Grund, dass er oft Erfolg hatte, wo andere scheiterten. Der grundehrliche gute Wille schien immer durch, und die Menschen wagten es, sich ihm anzuvertrauen.
»Sergej Bykov«, buchstabierte Hartman mit viel Mühe. Einen Moment später stand er in der Tür, mit Schweiß auf der Stirn und großen feuchten Flecken unter den Armen von der Anstrengung, Englisch zu reden, aber voller Enthusiasmus.
»Der Bilderverkäufer hat einen Namen bekommen. Wir haben es über die Narbe versucht. Sie ist bei einem Raubüberfall entstanden. Er heißt Sergej Bykov und kommt aus Weißrussland. Seine Frau hat angegeben, er habe nur eine kurze Fahrt nach Schweden unternehmen wollen, um Bilder zu verkaufen, und sie habe ihn am Sonntag, den 1. Juli, zurückerwartet. Ihre Geschichte ist so traurig, dass man davon einen Kloß im Hals bekommt. Sergejs Sohn ist nierenkrank, und er sollte eine Niere von seinem Vater bekommen, aber die Operation kostet Geld, und es fehlte noch ein Tausender. Das Geld wollte Sergej in letzter Minute beschaffen, indem er seine Bilder verkaufte. Die Operation war für Montag angesetzt, aber Sergej kam nicht.«
»Wissen wir mehr von ihm? Wo wohnte er? Was war sein Beruf?« Maria hängte die Jacke zurück. Das hier war ein Durchbruch, der ohne Zweifel viele unmittelbare Maßnahmen und Überstunden erforderte. Sie musste zu Hause bei Marianne Hartman anrufen, ob sie sich noch eine Weile länger um Linda und Malte kümmern konnte.
»Sergej stammte aus Bjaroza. Das liegt in Weißrussland, südwestlich von Minsk. Er züchtete dort Labormäuse und Meerschweinchen und andere Versuchstiere für die Labore der Pharmaindustrie. Der Konzern heißt Desponia, und die Pharmaindustrie ist ein Teil davon, außerdem gibt es noch eine Entwicklungsabteilung für ein System zur Lebensmittel- und Warentransportmarkierung sowie ein Institut für verjüngende Chirurgie. Soweit ich es verstanden habe, betreibt der Konzern sogar Kliniken für übergewichtige Europäer und Amerikaner. Der Hauptfirmensitz ist in Montreal, es gibt aber Niederlassungen in der ganzen westlichen Welt. Wenn du bei den nächsten Nachrichten auf die Börsennotierungen achtest,
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