Das Geheimnis der Totenkiste
auch du gehörst mir, Eli Podgram.«
Ja, damals im fernen Transsylvanien wäre es fast so weit gekommen, daß er Vojislav als seinen Herrn und Meister hätte anerkennen müssen.
Aber der Vampir hatte etwas übersehen. Er hatte sich vorher nicht genügend informiert. Er wußte, konnte nicht wissen, daß…
»Du hast mich einmal gebissen«, sagte Eli mit lauter Stimme. »Das kannst du nicht verleugnen. Im Wald, bei meiner Burg, hast du von meinem Blut getrunken.«
»So ist es. Du bist einer von uns. Das weißt du. Du entgehst deinem Geschick nicht.«
Die Stimme, die Eli nun zum erstenmal physisch hörte, klang rasselnd und ohne Betonung.
»Du bist Vojislav der Schwarze, Erzherzog von Szlig?«
»Auch er. Ich war viele Männer. Ich bin viele Männer.«
Das Lächeln auf den sinnlichen Lippen wirkte eingefroren. Es war ein müdes, zynisches Lächeln. Es drückte keine Freude aus. Es war zweifelhaft, ob es überhaupt etwas ausdrückte. Es schien nur eine automatische Bewegung der Muskeln zu sein. Nichts weiter.
»Ich kann der Schattenwelt nicht angehören«, erklärte Eli tonlos. »Das mußt du doch wissen. Nicht, solange mein Haar dieses Zeichen aufweist.«
Er deutete auf das weiße Kreuz in seinem dunklen Haar. Der Vampir zuckte mit den Schultern.
»Andere können für dich leiden. Das Mädchen…«
Mara stöhnte auf. Sie drückte schmerzerfüllt die Arme gegen ihren Leib. Ihre Lippen zuckten vor unerträglicher Qual.
»Du kannst sie retten«, erklärte Vojislav in einem Ton, der andeutete, daß es ihm völlig gleichgültig war, ob Eli es tat oder nicht.
»Eli«, schluchzte das Mädchen. »Hilf mir – o hilf mir doch… Tu, was er sagt.«
Sie fiel mit zuckenden Gliedern und schreiend auf den Boden, wo sie sich vor Schmerzen wand.
»Ein Wort von dir, und ihre Qual ist vorbei«, murmelte der Vampir.
»Verrat mir eins: Wieso bist du hier? Wie ist es überhaupt möglich? Ich habe die Silberkugeln in dein Herz geschossen! Ich habe gesehen, wie du zu Staub zerfielst.
„Wie kann es sein, daß du zurückkamst?«
Das teuflische Lächeln wurde breiter.
»Du hast noch viel zu lernen. Eli Podgram. Wir sterben nicht so leicht. Ich war tot, das stimmt. Aber in deiner jugendlichen Überheblichkeit hast du die letzte, die unbedingt erforderliche Erniedrigung vergessen. Kein Holzpflock bohrte sich durch mein Herz und fesselte mich an die Erde… So überlebte ich.«
Wieder lächelten seine Lippen. Eli spürte die volle Macht der glühenden Augen in den seinen. Sie hielten ihn fest, verwirrten seinen Geist.
Wer war er, Eli Podgram, daß er auch nur versuchte, seine Kräfte mit denen des Meisters zu messen, der allwissend und unüberwindlich, dem nichts unmöglich war?
Wieviel einfacher war es doch, sich zu ergeben und des Friedens zuteil zu werden, der ihm gewiß war, wenn sein Wille sich mit dem Vojislavs vereinte. Sie würden ein unbesiegbares Paar abgeben, sie würden über nie dagewesene Macht verfügen. Die Welt würde ihnen gehören. Niemand würde sich ihnen entgegenstellen können. Und was scherten die Menschen ihn schon? Diese eigensüchtige, unwissende und korrupte Menschheit, die eine Welt voll Schönheit verseucht und dem allmählichen Untergang preisgegeben hatte.
Nur für eins waren diese Menschen gut – ihr Blut ihnen, den beiden Erhabenen, zu geben.
Während die Augen des Vampirs sich in die seinen bohrten, erlebte er Visionen einer wundervollen Zukunft. Vojislav der Schwarze würde alles, würde die ganze Welt mit seinem getreuen Diener Eli Podgram teilen. Sie würden die Macht und Größe und die Ekstase teilen, die das Blut ihnen bescherte.
Der Vampir hielt es nicht länger für nötig, daß das Mädchen sich schreiend auf dem Teppich wälzte. Er gestattete ihr, sich zu entspannen. Sie setzte sich auf und blickte Eli erwartungsvoll an.
»Für mich«, murmelte sie. »O Eli, tu es für mich.«
Es schien, als sei Elis Widerstand endlich gebrochen. Doch verborgen in ihm erhob sich die letzte Bastion eines freien Willens, der sich gegen die hypnotische Kraft wehrte, die den Spezialisten scheinbar bereits besiegt hatte.
Aus den Tiefen seines Seins drang die Frage in Elis betäubtes Bewußtsein:
Wenn er so groß, so unbesiegbar, und vor allem so allwissend ist, weshalb ist ihm dann nicht bekannt, daß Mara taubstumm ist? Sein eigener Geist, oder war es der des Vampirs, antwortete sofort: »Seine unvorstellbaren Kräfte haben sie geheilt, haben ihr die Sprache und das Hörvermögen
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