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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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lächelte grimmig. »Um Zul in Zugzwang zu setzen, dürfen wir keine Zeit verlieren. Ich denke, wir fangen morgen damit an.«

L eo kam sich vor wie auf einem Schleudersitz am Rande eines Abgrunds. Dabei lag er auf einer ledergepolsterten Liege in der Mitte des Traumlabors. Nervös starrte er zur Decke, wo künstliche Sterne glommen wie ein Meer erlöschender Dochte. Einschläfernd schön, dachte er. Wäre da nicht das kühle Licht des Kontrollraums, das ungedimmt durch die Glasscheibe fiel und das Klappern der Computertastatur. Okumus hämmerte wie ein Besessener darauf herum. Ab und zu piepte es. Wahrscheinlich Fehleingaben.
    »Wie lange dauert denn das noch?«, rief Leo ungeduldig. Er wollte es endlich hinter sich bringen. So musste sich Juri Gagarin gefühlt haben, der erste Mensch im Weltraum. Entweder du kehrst als Held zurück oder du verglühst beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.
    »Geht gleich los«, erscholl die Antwort durch die halb geöffnete Tür von nebenan. »Muss nur diese Kolonne von Parametern eintippen. Schade, dass Mark nicht hier ist. Der hätte das Steuerprogramm in Minuten gehackt …«
    »… und meine Birne durchknallen lassen. Vielen Dank! Sie sagten, alles sei bereit.«
    »War es auch. Bis zu dem Crash. In der Simulation gab’s einen totalen Blackout.«

    »Was!« Leo fuhr von der Liege hoch, schwang mit angewinkelten Beinen herum und blickte durch das Fenster in den Kontrollraum.
    Okumus verzog das Gesicht. »Ich krieg das schon hin. Konzentriere dich lieber auf deine Aufgabe.«
    »Sie haben leicht reden. Es ist ja nicht Ihr Oberstübchen, das gleich eingeäschert wird.«
    »Entspann dich.«
    Leo schnaubte. Entspannen! Wie sollte das gehen? Die Traumakademie befand sich im Ausnahmezustand. In den vergangenen vierundzwanzig Stunden hatten Lehrer und Schüler Übermenschliches geleistet, um sich auf den erwarteten Angriff vorzubereiten. Er selbst, der Hobbyastronom, war tief in die theoretischen Grundlagen der Kometenentstehung eingetaucht. Herr Doldinger, der Physiklehrer des Internats, hatte ihm geholfen, die Masse und den Kurs des zu erschaffenden Himmelskörpers zu berechnen. Okumus war kaum zum Schlafen gekommen. Er koordinierte einerseits den Aufbau der Verteidigungsmaßnahmen und modifizierte andererseits die DreamCap-Steuerung. Bis zuletzt hatte er daran programmiert. Nun waren er und sein begabtester Schüler allein in der High-Tech-Folterkammer, wie Leo das Traumlabor aufgrund seiner schlechten Erfahrungen mit Mark Schröder nannte.
    »Sieht schon besser aus«, meldete sich die Stimme des Lehrers einige Minuten später erneut aus dem Kontrollraum. »Es kann losgehen. Bist du so weit?«
    »Ja«, brummte Leo. Er hatte sich inzwischen wieder hingelegt und schloss die Augen.
    Nach wenigen Sekunden begann das bekannte Kribbeln. Es war heftiger als bei seinen beiden ersten Kunstträumen. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten. Er meinte, einen aufgescheuchten
Ameisenstaat unter der Kopfhaut zu spüren. Das musste an dem Einschwingen auf die Resonanzfrequenz der Nervenzellen in seinem Gehirn liegen. Okumus hatte einen bildlichen Vergleich gewählt, um seinem Schüler den Vorgang verständlich zu machen: Marschiert eine Soldatenkolonne im Gleichschritt über eine Hängebrücke, gerät diese leicht in Schwingungen, wenn der Schrittrhythmus mit der Eigenfrequenz der Brücke übereinstimmt. Die Konstruktion summiert gewissermaßen die vielen kleinen Energiemengen jeden Tritts auf und schwingt dadurch immer stärker. Im Extremfall kann sie sogar einstürzen. Der korrekte Fachbegriff dafür laute Resonanzkatastrophe . »Die müssen wir vermeiden«, hatte der Lehrer erklärt, »weil sie deine Synapsen zerstören würde. Das sind die Verbindungen zwischen den Neuronen, den Nervenzellen, wo die Reize übertragen werden. Das wäre der totale Blackout für deinen Verstand.«
    Plötzlich war Leo ein Mond.
    Wie bei Schröders Terrorflug überraschte ihn der jähe Übergang in den Klartraum. Die Szene war jedoch nur der Auftakt, gewissermaßen das erste Zupfen einer Harfensaite. Okumus hatte diesen von seinem Schüler entworfenen Weltraumtraum am Vormittag aufgezeichnet, um ihm den Einstieg in die Luzide zu erleichtern.
    Von nun an war alles offen. Die DreamCap nahm jedes neue Traumbild aus Leos Kopf auf und spielte es entsprechend der Eigenfrequenz seiner Synapsen leicht verzögert wieder an sein Gehirn zurück. So konnte er die eigene Traumenergie vervielfachen und etwas wahrhaft

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