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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Leo. »Ich fürchte nur, da wird nicht mehr viel kommen. Die von mir berechneten Bahnelemente lassen keine Zweifel zu. Der Einschlag erfolgt am Mittwochabend, vermutlich kurz vor Mitternacht. Genießen Sie also die Sonnenfinsternis. Es wird Ihre letzte sein.«
    »Der Weltraum ist groß, Leo«, erwiderte der Astronom. Er klang noch immer völlig entspannt. »Da können schon kleinste Fehler zu gigantischen Abweichungen führen. Als engagierter Amateurastronom dürfte dir bekannt sein, dass man mit dem Datenmaterial einer Nacht nur ungenaue Vorhersagen treffen kann. Angenommen der Komet existiert wirklich und deine Kurs-, Geschwindigkeits- und Massenberechnungen sind im Rahmen deiner Möglichkeiten genau, dann kann das Objekt trotzdem eine Million Kilometer an der Erde vorbeifliegen. Das reduziert die Einschlagwahrscheinlichkeit auf weniger als eins zu zwanzigtausend.«
    »Ich finde das erschreckend hoch, wenn die Existenz der ganzen Menschheit davon abhängt. Beim Lotto sind die Chancen auf den Haupttreffer siebenhundert Mal schlechter und dennoch kaufen jede Woche Hunderttausende ein Los.«
    Leo konnte hören, wie der Wissenschaftler gähnte. »Die Gier ist eben stärker als die Vernunft. Sollte an deinen Beobachtungen etwas dran sein, dann erfahren wir es in den nächsten Stunden.«
     
    Am kommenden Abend versammelten sich ungefähr sechzig Schüler in der Mensa vor einer großen Leinwand. Der Rest war auf Posten. Falls Refi Zul und seine Kreaturen früher als erwartet
angriffen, würden die schlafenden Traumspäher Alarm schlagen. Okumus hatte seine Oneironauten unter Mitwirkung der Lehrerschaft wie für eine Entscheidungsschlacht gedrillt und die Übungen hielten nach wie vor an. Das letzte Aufgebot der Traumschmiede war entschlossen, das Drusentor mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen und den König gefangen zu nehmen.
    Leo war am Morgen endlich dazu gekommen, seinen Eltern einen Brief zu schreiben. Er hatte sich vorgenommen, das erste Lebenszeichen nach zwei Wochen Funkstille optimistisch klingen zu lassen. Deshalb ließ er sie wissen, dass es ihm gut gehe und sie sich wegen der Nachrichten in den Medien keine Sorgen zu machen brauchten. Am Ende lasen sich die drei Seiten trotzdem wie ein Abschiedsbrief. Okumus’ Hamburger Studienfreund hatte versprochen, sie noch vor acht Uhr abends zuzustellen. Hoffentlich hatte er Wort halten können, denn jetzt war die Stunde der Wahrheit gekommen.
    Das Gesicht des Bundespräsidenten erschien auf der Großbildleinwand des Speisesaals. Es war ernster als sonst. Seit dem Nachmittag hatten die Nachrichtensendungen sämtlicher Fernseh-und Rundfunkkanäle die Ansprache des Staatsoberhauptes angekündigt. Ähnliches geschehe in fast allen anderen Ländern der Welt, meldeten die Sprecher. Daran konnte jeder erkennen, wie wichtig die Botschaft war.
    »Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger«, begann der Präsident mit Totengräbermiene. Leo wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Okumus, der neben ihm saß. »Im Laufe der letzten zwanzig Stunden haben sich die Anzeichen verdichtet, dass der Menschheit ein Ereignis apokalyptischen Ausmaßes bevorsteht. Ein Ereignis, das unseren Planeten nach wissenschaftlicher Meinung bereits mehrmals heimgesucht hat – lange
bevor es Menschen gab. Ein Ereignis auch, das in Romanen und Kinofilmen oft beschrieben wurde, das wir jedoch immer in weite Ferne gerückt haben. Nun trifft es ein und zwar schon sehr bald. Die uns verbleibende Zeit ist zu knapp bemessen für vage Andeutungen. Deshalb will ich Ihnen das Wichtigste gleich am Anfang sagen:
    Ein gigantischer Komet befindet sich auf Kollisionskurs mit der Erde. Er misst fünfhundert mal vierhundert mal einhundertsiebzig Kilometer, ist momentan ungefähr fünf Millionen Kilometer von uns entfernt und bewegt sich mit neunzehn Komma sechs Kilometern in der Sekunde auf die Erde zu. Nach derzeitigen Berechnungen wird er am Mittwochabend um dreiundzwanzig Uhr einundfünfzig in den Pazifik einschlagen. Bei einem so riesigen Objekt besteht keine Hoffnung auf ein Überleben der menschlichen Rasse. Es ist sogar zu befürchten, dass jede höhere Lebensform auf unserem Planeten ausgelöscht wird …«
    Dem Präsidenten brach die Stimme. Es dauerte einige Sekunden, bis er seine Fassung zurückerlangte und mit seiner Rede fortfahren konnte. Der Schweifstern, erklärte er, sei einem gemeinen Meuchelmörder ähnlich, der sich an sein Opfer heranpirscht, bis es zu spät für jede

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