Das Geheimnis der Wellen
drehte er sich zu ihr um. »Ich werde den Tag im Kalender anstreichen.«
Lachend schlang sie die Arme um seinen Nacken. »Lassen wir es so stehen, zurückschieben können wir es nachher immer noch.«
»Es gibt viele andere Betten in diesem Haus. Wir könnten damit experimentieren. Ich glaube … Mist. Mist! Apropos aufgestaute sexuelle Energie. Abra, das Bett steht hier, aber die Nachttische mit den Kondomen sind da drüben. Ich habe überhaupt nicht nachgedacht. Ich konnte absolut keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
»Das ist okay, ich nehme die Pille. Wie lang staust du deine sexuelle Energie denn schon auf?«
»Etwas mehr als ein Jahr.«
»Ich auch. Aber immerhin wurden geeignete Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Warum essen und trinken wir nicht was und schauen, was wir noch alles in Bewegung versetzen können?«
»Ich finde, du hast sehr gute Ideen.«
*
Sie hatte recht, was die Suppe betraf. Sie war außergewöhnlich lecker. Womit hatte sie eigentlich nicht recht?
Sie saßen an der Kücheninsel. Eli in Jogginghose und Sweatshirt, Abra in einem der Morgenmäntel seiner Großmutter. Sie aßen Suppe, dicke Scheiben Brot, tranken Wein und sprachen über Filme, die sie unbedingt sehen wollten, oder Bücher, die sie beide gelesen hatten.
Er erzählte ihr von seiner Entdeckung in der Bibliothek. »Das Buch ist interessant und wurde mit Sicherheit von einer Frau geschrieben, die ein männliches Pseudonym benutzt hat.«
»Das klingt nach einem Vorurteil und außerdem ziemlich abfällig.«
»So ist es gar nicht gemeint«, wehrte er sich. »Der Stil ist ziemlich blumig, auf jeden Fall wildromantisch. Das Buch hat mir gefallen, auch wenn man es eher als Roman bezeichnen sollte.«
»Ich würde mir gern selbst ein Bild davon machen. Darf ich es mir ausleihen?«
»Klar. Wegen des Grabens im Keller wollte ich die gesamte Bibliothek nach Büchern über die Legende der Calypso, über Nathaniel Broome und meine Vorfahrin Violeta durch suchen.«
»Gute Idee. Ich wollte Hester schon immer fragen, ob ich mir ein paar Bücher ausleihen darf, habe es allerdings nie getan. Ich lese am liebsten Romane oder Ratgeber.«
Da er sie für eine der selbstbewusstesten, in sich ruhenden Frauen hielt, die er je kennengelernt hatte, musste er einfach nachhaken. »Und welche Art Rat suchst du?«
»Das hängt ganz von der Tagesform ab. Als ich hergezogen bin, war ich emotional sehr instabil. Ich habe viele Bücher über inneres Gleichgewicht und Traumabewältigung gelesen.«
Er legte seine Hand auf ihre. »Ich möchte keine bösen Erinnerungen wecken. Trotzdem würde ich gern wissen, wie viele Jahre er bekommen hat.«
»Zwanzig. Der Staatsanwalt hat ihm Vergewaltigung, Kör perverletzung und versuchten Mord vorgeworfen, ihm drohte also lebenslänglich. Die Anwälte haben aber auf Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung plädiert. Das hat er dann auch zugegeben. Ich hätte nie gedacht, dass Derrick sich darauf einlässt.«
»Wenn man bedenkt, dass er dich gestalkt hat, bei dir eingebrochen ist und dass deine Nachbarn alles bezeugen konnten, war es schlau, sich darauf einzulassen. Und wie geht es dir mit seiner zwanzigjährigen Haftstrafe?«
»Gut, ich bin zufrieden. Sollte er versuchen, wegen guter Führung vorzeitig freizukommen, werde ich mit den Be hörden sprechen. Ich werde ihnen Fotos vorlegen, die zeigen, wie ich nach dem Überfall aussah. Für mich ist das keine Form von Rache, sondern …«
»Das ist keine Rache.«
»Und selbst wenn, das ist mir egal. Ich habe meinen Frieden damit gemacht. Ich bin vor allem erleichtert, dass er im Gefängnis sitzt. Ich werde tun, was ich kann, damit er drinbleibt. Weit weg von mir, weit weg von anderen Frauen, auf die er losgehen könnte. Ich habe mein inneres Gleichgewicht gefunden, und es gefällt mir, immer wieder neue Anregungen zu bekommen, Dinge kennenzulernen, die mir neue Horizonte eröffnen.«
Lächelnd füllte sie Suppe auf. »Und, wie ist es um dein inneres Gleichgewicht bestellt, Eli?«
»Im Moment fühle ich mich, als könnte ich Bäume ausreißen.«
Sie lachte in ihren Wein hinein. »Es gibt keine bessere Medizin als Sex.«
»Dem kann ich schlecht widersprechen.«
»Vielleicht solltest du ein paar Sexszenen in dein Buch aufnehmen. Außer, du findest das zu blumig und feminin.«
»Ich glaube, das wäre eine echte Herausforderung.«
»Möchtest du denn nicht, dass dein Held am Ende sein inneres Gleichgewicht findet?« Sie beugte sich vor, und
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