Das Geheimnis der Wellen
schon was über die Waffe, die der Mörder verwendet hat?«
»Ich darf dir keine Ermittlungsergebnisse verraten.« Achselzuckend nahm Vinnie einen weiteren Schluck von seinem Kaffee. »Deine Großmutter hat eine schöne alte Waffensammlung. Sie hat sie mir mal gezeigt. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine 32er dabei gewesen wäre.«
»Nein«, sagte Eli genauso beiläufig. »So etwas gibt es weder in der Sammlung noch sonst irgendwo im Haus.«
»Tja, ich sollte lieber gehen. Danke für den Kaffee, Abra.«
»Gern geschehen.«
Eli stand auf, um ihn zur Tür zu begleiten. »Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du vorbeigekommen bist, Vinnie. Das werde ich dir nicht vergessen.«
»Pass auf sie auf. Sie weiß zwar, wie gefährlich manche Leute werden können, glaubt aber immer, dass es nicht so schlimm wird. Sieh zu, dass du keinen Ärger bekommst.«
Das tue ich eigentlich schon die ganze Zeit, dachte Eli. Doch irgendwie schien er Ärger magnetisch anzuziehen.
Als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, richtete sich Abra gerade auf, sie hatte Brennholz nachgelegt. Hinter ihr leckten die Flammen empor.
»Egal, was passiert ist«, hob Eli an. »Egal, wer dafür verantwortlich ist. Dass du bei mir bist, macht dich zur Zielscheibe. Dein Privatleben und das, was dir zugestoßen ist, deine Entscheidungen, deine Karriere, deine Familie, deine Freunde – alles wird man ans Licht zerren, breittreten und durchhecheln. Du hast das schon einmal mitmachen müssen, und du hast es hinter dir gelassen. Wenn du bleibst, wird das von vorn anfangen.«
»Ja, das stimmt. Worauf willst du hinaus?«
»Du solltest in Ruhe darüber nachdenken. Und dann entscheiden, ob du das wirklich willst.«
Gelassen erwiderte sie seinen Blick. »Du glaubst also, ich hätte die Sache nicht richtig durchdacht. Du scheinst mir nicht besonders viel Selbstbewusstsein oder Verantwortungs gefühl zuzutrauen.«
»So habe ich das nicht gemeint.«
»Du kannst mich nicht vor mir selbst schützen, Eli. Das tue ich schon allein. Ich habe nichts dagegen, dass du auf mich aufpassen willst, weil ich fest davon überzeugt bin, dass man aufeinander aufpassen sollte. Aber Vinnie täuscht sich. Stimmen tragen weit in leeren Häusern wie diesem, und ich habe ein ausgezeichnetes Gehör. Ich weiß, wie gefähr lich manche Leute werden können, und neige nicht zu dem Irrglauben, dass es schon nicht so schlimm wird. Ich hoffe es, und das ist ein Riesenunterschied.«
»Normalerweise kommen sie aus ihren Löchern, sobald sie die Möglichkeit dazu haben.«
»Es tut mir leid, dass du das so siehst, aber angesichts der aktuellen Umstände kann ich dir das schlecht vorwerfen. Trotzdem, über dieses Thema können wir ein andermal ein Gespräch führen. Willst du wissen, was ich wirklich denke?«
»Ja, natürlich.«
»Ich denke, dass der Küchenboden zwar einladend aussieht, mir das Sofa aber besser gefällt. Hast du Lust, es auszuprobieren?«
»Ja.« Er ging auf sie zu. »Und ob!«
*
Abra blieb. Als sie es endlich zurück ins Bett schafften, merkte sie, dass er kein Kuschler war. Aber er bekam einen halben Punkt dafür, dass er sich nicht dagegen wehrte.
Sie wachte bei grauem Dämmerlicht auf. Gerade löste er sich vorsichtig von ihr. »Hm. Stehst du auf?«
»Ja. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.«
»Das ist schon okay.« Dennoch schmiegte sie sich erneut an ihn. »Wie spät ist es?«
»So gegen sechs. Du solltest einfach weiterschlafen.«
»Ich habe um acht einen Kurs«, murmelte sie an seinem Hals. »Was hast du vor?«
»Kaffee trinken und arbeiten.«
Aber ich bin da flexibel, dachte er und strich ihr über den langen, nackten Rücken.
»Dann kannst du mir bei meinen Morgendehnübungen Gesellschaft leisten. Zur Belohnung mache ich dir Frühstück, bevor ich gehe.«
»Wir können uns auch hier dehnen.«
Sie erhob keine Einwände, als er sich umdrehte und behutsam in sie eindrang. Stattdessen seufzte sie laut auf und strahlte ihn an. »Was für ein schöner Sonnengruß.«
Sie liebten sich langsam, so als trieben sie auf stillem Meer dahin. Das träge Gegenstück zu der leidenschaftlichen Nacht erfüllte sie mit Glück und neuer Hoffnung.
Sie sah ihn genau an, seine Falten, seine Augen, die von Sorge überschattet waren.
Sie wollte nichts lieber als diese Schatten verbannen, dafür sorgen, dass die Sonne wieder aufging. Deshalb überließ sie sich ganz seiner und ihrer Lust. Sie ritt die berühmte Welle immer wieder aufs Neue und wartete auf den Moment,
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