Das Geheimnis Des Amuletts
entkommen kann.«
»Nein!«, sagte Helen überraschend heftig.
»Wieso nicht?«, fragte ich. »Ich verstehe, dass es schwer für dich ist, dorthin zurückzukehren, aber wir werden dabei sein, Helen. Du weißt, dass wir dich nicht allein lassen werden.«
»Darum geht es nicht. Es ist nur …« Sie brach ab und blinzelte in den Lichtstrahl von Sarahs Taschenlampe, während sie sich unruhig umschaute, als könnte sie die Worte, die sie brauchte, in der Luft finden.
»Es ist nur was?«, fragte ich ermutigend.
»Na ja, wir wissen nicht einmal, ob der Fels einer weiteren Beschwörung überhaupt standhalten würde«, erwiderte Helen. »Es könnte sein, dass wir ihn zerschmettern und sie dadurch versehentlich freigelassen wird.«
»Wie siehst du das, Sarah?«, fragte ich. »Von Erde und Steinen verstehst du mehr als wir.«
»Die Megalithen auf dem Ridge sind uralt und sehr mächtig«, antwortete Sarah nachdenklich. »Ich vermute, dass sie mit allem umgehen können, das wir auf sie werfen könnten.«
»Ich halte es einfach für keine gute Idee!«, blieb Helen beharrlich. »Wir können nicht einfach zurückgehen und noch mal in dem herumpfuschen, was wir getan haben – so läuft das nicht. Jeder Moment dreht sich um sich selbst. Man kann nicht zurückgehen.«
»Aber wir suchen doch nur nach einer Möglichkeit, wie wir uns besser schützen können, Helen«, sagte Sarah.
»Nein, lasst es einfach! Die Priesterin ist eine Gefangene, belasst es dabei. Sie kann uns jetzt nichts mehr anhaben. Und ich möchte auch gar nicht, dass ihr beide zu sehr in diese Sache mit reingezogen werdet. Dreimal hatten wir Glück und sind entkommen. Beim nächsten Mal vielleicht nicht mehr.«
»Ich glaube nicht, dass es Glück war«, sagte Sarah. »Wir haben die Kräfte benutzt, die uns gegeben wurden, und haben sie zu etwas noch Tieferem und Stärkerem werden lassen, indem wir zusammengearbeitet haben. Das ist nicht nur Glück. Diesen Kampf sollten wir gemeinsam als Schwestern aufnehmen – miteinander verbunden.«
Helen seufzte. »Selbst, wenn das stimmen würde, könnte es sein, dass sich ein paar Dinge verändern. Der Hexenzirkel ist geschwächt. Ihre Priesterin ist unsere Gefangene. Ich sehe keinen Grund, warum ihr mehr tun solltet. Cal wartet auf dich, Sarah. Und was dich betrifft, Evie … da ist so viel, worauf du dich freuen kannst. Ich bin allein. Lasst mich jetzt diese Sache angehen.«
»Du bist nicht allein, Helen, du hast uns«, sagte ich, plötzlich alarmiert. »Und abgesehen davon, was ist mit all dem, das Miss Scratton uns erzählt hat? Du weißt schon, über das Geheimnis der Schlüssel. Außerdem hat sie gesagt, dass wir bereit sein sollen und dass unsere Bestimmung sich bald erfüllen wird.«
Helen sah mich seltsam an; ihr Gesicht lag halb im Schatten verborgen. »Sie hat von meiner Bestimmung gesprochen, nicht von deiner oder Sarahs. Es ist an mir, die Sache zu beenden. Ich möchte, dass ihr beide euch da raushaltet. Bleibt bei Josh und Cal und seid glücklich. Überlasst es einfach mir.«
»Aber wir sind Schwestern«, wiederholte Sarah. »Wir arbeiten zusammen. Wir brauchen einander.«
»Ich brauche niemanden«, murmelte Helen und wich unseren Blicken aus. Ich wusste, dass sie das nicht so meinte. Helen brauchte jemanden, den sie lieben konnte, und sie brauchte auch uns. Aber es war unmöglich, sie an diesem Abend zu überzeugen. Nichts von dem, was wir sagten – das Versprechen unserer Freundschaft und unsere Unterstützung –, schien sie zu berühren, sondern prallte vielmehr von ihr ab wie Wasser von einem glatten Stein.
Ich machte mir Sorgen, aber Sarah und ich konnten nichts anderes tun, als Helen im Laufe des neuen Terms im Auge zu behalten; allerdings versuchten wir, es uns nicht zu sehr anmerken zu lassen. Ich wollte keine Grenze überschreiten. Helen war so schwer zu fassen wie Distelwolle im Wind, unmöglich festzunageln und so schreckhaft wie ein wildes Tier. Mit ihren blonden Haaren und den hellen, kummervollen Augen, die etwas sahen, das uns übrigen verborgen blieb, war sie auch wunderschön, was sie selbst allerdings nicht wahrnahm. Ein falsches Wort, und sie zog sich in sich selbst zurück. Es war, als würde sie den tiefsten Teil ihrer Seele in einem verschlossenen Glaskasten aufbewahren, zu dem wir keinen Schlüssel hatten. Selbst vor uns, ihren engsten Freundinnen, ihren einzigen Freundinnen, hatte sie noch Geheimnisse.
In den nächsten Tagen legte sich eine düstere Atmosphäre über die
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