Das Geheimnis Des Amuletts
waren etwas Besonderes, alle beide. Evie Johnson, einfühlsam und leidenschaftlich, mit langen roten Haaren und meergrauen Augen, hatte sowohl Liebe als auch Verlust kennengelernt. Unter dem Lächeln, das sie mir zur Begrüßung schenkte, lag immer noch Trauer. Evies mystisches Element war das Wasser, das sie mit dem Fluss der Zeit und dem Strom der Jahre verband. Und Sarah – teure, liebe Sarah, meine Schwester der Erde. Sie war gütig und tief verwurzelt und fürsorglich, eine Königin der grünen Wälder und rauen Berge, mit braunen Locken und tanzenden braunen Augen und einem Herzen, das so aufrichtig und standhaft war wie eine Eiche. Andere Leute hätten sie leicht für gewöhnliche Mädchen halten können, aber ich wusste, dass sie einzigartig waren, wundervoll und mächtig.
Ich redete mir ein, dass ich nicht gut genug für sie war. Sie hatten etwas Besseres verdient, als an mein erbärmliches verhängnisvolles Schicksal gebunden zu sein. Ich wollte, dass sie frei von mir waren, also wandte ich mich von ihnen ab und schrieb meine Geheimnisse einem längst verlorenen Geist.
Ein neuer September, ein neues Schuljahr, und wieder kehrte ich zur Abteischule Wyldcliffe für junge Ladys zurück. Aber es wartete noch jemand in Wyldcliffe auf mich. Sie war da, zog mich zu den düsteren Hügeln zurück. Sie wartete auf mich. Unser Kampf war noch nicht vorüber. Während ich erneut in den düsteren Klassenräumen saß und versuchte, mich auf Französisch und Geschichte zu konzentrieren, schweiften meine Gedanken zu den Moors , wo eine geliebte Feindin darauf wartete, dass ich den nächsten Zug machte. Was dachte sie? Was plante sie? Und dachte sie überhaupt jemals an mich?
Ich musste es herausfinden, und ich musste dafür sorgen, dass Evie und Sarah nicht herausbekamen, was ich vorhatte.
Es war leicht, mich aus der Schule zu schleichen, seit ich wieder über meine Kräfte verfügte. Da ich durch die Luft gehen konnte, war es mir möglich, zumindest für eine Weile zu flüchten, und anfangs ging es auch nur darum. Wenn mir alles zu viel wurde – der Lärm in der Schule, das endlose Geplauder der anderen Schülerinnen, die finsteren Blicke der Mistresses, weil ich im Unterricht nicht aufgepasst hatte –, dann benutzte ich die geheimen Wege der Luft und ging über die Moors , ergötzte mich am Wind und den Wolken und den Rufen der Vögel. Selbst die Sympathie und die Besorgnis von Evie und Sarah waren manchmal zu viel für mich. Drohten mich zu ersticken. Sie wollten nicht, dass es bei mir so ankam, aber ich konnte spüren, dass sie mich beobachteten, kurze Blicke wechselten – geht es Helen gut? Kommt sie mit allem zurecht? Was ist mit ihr? Manchmal fühlte ich mich wie eine Gefangene.
Falls das undankbar klingt … ist es nicht meine Absicht. Und wenn meine Freunde mich so genau beobachteten, dann nur, weil ich ihnen etwas bedeutete. Ich war dankbar, tief in meinem Innern. Ich liebte Sarah und Evie. Ich wäre für sie gestorben. Aber ich fühlte mich abgeschnitten und anders als sie. Ich kam mir immer noch vor wie das verlassene Kind im Waisenhaus.
Deshalb brauchte ich den Wanderer, auch wenn er mich vor langer Zeit verlassen hatte. Ich hatte ihm meine Geheimnisse in glühenden, hastigen Worten mitgeteilt, die sich wie Blut in mein Tagebuch ergossen, statt dass ich richtig mit meinen Freundinnen sprach. Aber es war nicht genug. Mehr als alles andere brauchte ich meine Mutter.
Ich versuchte zu vergessen, dass sie Celia Hartle war, die Priesterin, die allein den Klang meines Namens hasste. Ich sehnte mich danach, das zu haben, was ich nie kennengelernt hatte, und klammerte mich an jedes bisschen Hoffnung. Ich redete mir ein, dass es ein neuer Term war, ein neuer Tag, ein neuer Anfang. Und so ging ich allein in die Moors , auf den geheimen Wegen. Ich wusste, dass ich das nicht tun sollte, aber mein ruheloses, hungriges Herz trieb mich dazu. Ich ging zum Steinkreis auf dem Blackdown Ridge, wo der Geist meiner Mutter in einem großen, einsamen Felsbrocken gefangen war.
Und ich sprach mit ihr.
Zwei
WYLDFORD CHRONICLE Lokalnachrichten
14. September: Ein neues Schuljahr beginnt an der Abteischule Wyldcliffe für junge Ladys. Seit jeher stellt die Schule eine wichtige Institution der Region dar; sie bringt nicht nur Prestige, sondern auch Jobs in diesen abgelegenen Winkel unseres Landes. Gärtner, Reinigungskräfte, Küchenpersonal und viele andere Menschen verdienen sich an der exklusiven Internatsschule ihren
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