Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
Vom Netzwerk:
einen langen Saal mit dunklen Ebenholzwänden, in die kleine Stückchen Elfenbein so geschickt eingesetzt worden waren, dass sie kunstvolle Muster ergaben. Weder das Holz noch das Elfenbein war an sich sonderlich wertvoll, doch die Handwerkskunst, mit der beides verarbeitet worden war, machte die Täfelung unbezahlbar. In der Mitte des Raumes lehnte eine beeindruckende Gestalt an einem großen schwarzen Kamin. Da der Tag so heiß war, brannte kein Feuer darin. Vor den Ascheresten hockte ein Mann in schlichtem Schwarz auf einem dreibeinigen Melkschemel und schnitzte an einem weißen Holzklotz herum. Die feinen Späne schwebten wie Schneeflocken von seinen Fingern in den Kamin hinab.
    Der Mann in Weiß bediente sich einer Sprache, die ich nicht verstand, wahrscheinlich Aragonesisch. Während ich aufmerksam zuhörte, erkannte ich, dass dieser spanische Dialekt sich gar nicht so sehr vom toskanischen unterschied. Der Diener des Weißgekleideten grunzte zur Antwort nur, blickte aber nicht von seiner Schnitzerei auf, eine Ungehörigkeit, die ihm in Florenz Prügel eingetragen hätte.
    Wir schritten durch den Raum, ohne dass uns das schwarz und weiß gekleidete Paar Beachtung schenkte. Erst als wir direkt vor den beiden Männern standen, drehte sich der weiße Adelige um.
    »Capitano Ferregamo«, sagte er. (So erfuhren wir erst jetzt den Namen des Kapitäns.) »Ihr habt den Sturm also überlebt. Meinen Glückwunsch. Gilt das auch für die Flotte der Muda?«
    Ferregamo verneigte sich tief und sprach mit so unterwürfiger Stimme, dass ich sie fast nicht wiedererkannte. »Soweit ich weiß, ist nur das Flaggschiff gesunken, Exzellenz. Die restlichen Schiffe werden morgen oder übermorgen eintreffen, wir waren ihnen eine gute Leuge voraus. Wegen der Eindringlinge, die Ihr hier seht, mussten wir früher als geplant in See stechen.«
    »Ihr habt Beute für Seine Gnaden mitgebracht?« Der weiß
gekleidete Monarch hatte eine merkwürdige Art zu sprechen, er zischelte wie eine Schlange.
    »Wie Ihr seht. Der Mann ist ein Edelmann aus Pisa, die Frau seine Mätresse - eine Schönheit, die Seiner Majestät gefallen könnte.«
    Seiner Majestät? War dieser weiße Bursche nicht Don Ferrante? Mussten wir noch weitere Räume durchqueren, bis wir endlich den Thronsaal erreichten? Der Schlangenmann ergriff erneut das Wort. »Aber Euer Edelmann trägt eine Mönchskutte.« Er umkreiste uns interessiert, dabei hielt er sich eine weiße Pomadedose unter die Nase, als würden wir stinken (was wir vermutlich auch taten).
    »Er ist kein Mönch, Exzellenz. Ich habe ihn an Bord des Schiffes dabei ertappt, wie er die Frau umarmte.«
    Ich schielte zu Bruder Guido, der voller Scham den Kopf senkte. Der schwarz gekleidete Diener vor dem Kamin schnitzte unbeirrt weiter.
    »Hmm.« Schlangenzunge lächelte. »Hat er ihr die Jungfräulichkeit genommen?«
    »Nicht an Bord«, versicherte ihm der Kapitän. »Da bin ich mir ganz sicher. Sie wurden ständig überwacht.«
    Eine eisige Hand schloss sich um mein Herz. Überwacht? Hatte Ferregamo uns den cartone hervorholen sehen und gehört, wie wir versucht hatten, die Bedeutung des Bildes zu entschlüsseln? Nein. Ich zwang mich zur Ruhe. Der Kapitän hätte eine solche Überwachung nicht selbst übernommen, und der Rest der Mannschaft war tot. Aber ich nahm mir vor, Bruder Guido einzuschärfen, gut auf das Bild Acht zu geben, wenn wir das nächste Mal miteinander allein waren. Wenn wir es verloren, waren wir gleichfalls verloren.
    Schlangenzunge musterte mich nachdenklich. »Sie sieht nicht schlecht aus. Was meint Ihr, Majestät?«
    Der vor dem Feuer kauernde Mann ergriff erstmals das Wort. Seine Stimme klang unerwartet gebieterisch. »Lasst sie mich einmal ansehen.«

    Ich sah ihn erstaunt an. Er? Er war Don Ferrante, der König von Neapel? In seinem schlichten schwarzen Gewand, mit der Schnitzarbeit in den schwieligen Händen, machte er auf mich eher den Eindruck eines gewöhnlichen Dieners. Aber seine grauen Augen blickten stahlhart - ich hatte einen Mann vor mir, mit dem man sich besser nicht anlegte.
    Was dann folgte, kam für mich noch überraschender: Der Mann in Weiß riss mir mit einem Ruck das Kleid von den Schultern. Der salzverkrustete, trockene Stoff war so morsch, dass er sofort zerriss und meinen Oberkörper bis zur Taille freigab. Ich dankte Vero Madre dafür, dass ich Bruder Guido die Primavera gegeben hatte, sonst wäre sie jetzt verloren gewesen. Ich stand regungslos da, während drei Männer

Weitere Kostenlose Bücher